Golden Globes:Sex mit bärtigen Europäern

Maximales Star-Aufgebot bei den Golden Globes: Wie Kate Winslet und der Film "Slumdog Millionaire" zu großen Gewinnern wurden, und warum Mickey Rourke besser ist als Johnny Depp.

Christian Kortmann

So wünscht sich ein Champagnerproduzent seine Champagnerwerbung: Man packt den Ballsaal des Beverly Hilton Hotels in Los Angeles voll mit Hollywoodstars, serviert ihnen asiatisch zubereiteten Wolfsbarsch und drapiert inmitten dieser Kulisse aus dem Besten, was Schneider, Friseure und Schönheitschirurgen aus L.A. zustande bringen, auf jedem Tisch Champagnerflaschen.

Golden Globes: Echt lässig: Preisträger Mickey Rourke

Echt lässig: Preisträger Mickey Rourke

(Foto: Foto: AFP)

Die rutschen dann immer mal ins Bild, wenn die Kameras die Szenen der Dinnerparty, auf der Film- und Fernsehpreise namens Golden Globes verliehen werden, live für mehr als 160 Länder erfassen.

Im vergangenen Jahr hatte der Sender NBC wegen des Drehbuchautoren-Streiks die Golden Globes als dröge Pressekonferenz veranstalten müssen. Für das Comeback hatte man nun trotz Finanzkrise reichlich Champagner geordert und ein maximales Star-Aufgebot zusammennominiert.

Eigentlich sind die von der Auslandspresse verliehenen Globes dafür bekannt, dass schauspielerisches Talent mehr zählt als große Namen, doch in diesem Comeback-Jahr standen gleich zwei Traumpaare auf den Hauptdarsteller-Wahlzetteln, ein filmisches und ein hyperreales: Kate Winslet und Leonardo DiCaprio, im Film "Zeiten des Aufruhrs" nach "Titanic" wiedervereint, sowie Angelina Jolie ("Der fremde Sohn") und Brad Pitt ("Der seltsame Fall des Benjamin Button").

Nun ist bei solchen Fernseh-Galas die Leistung der Schauspieler in den prämierten Filmen nachrangig. Entscheidend ist, wie sie sich bei der Preisverleihung selbst darstellen, schließlich beherrschen sie von Berufs wegen den ein oder anderen Trick.

So spielte die zweifach ausgezeichnete Kate Winslet (als beste Nebendarstellerin für "Der Vorleser" und beste Hauptdarstellerin/Drama für "Zeiten des Aufruhrs") sehr überzeugend und dennoch kontrolliert die in Tränen aufgelöste Gewinnerin.

Bei ihrer Danksagung war ihr doch tatsächlich vorübergehend der Name der Mitbewerberin Angelina Jolie entfallen, na, so was! In der Traumpaar-Wertung hatte sie mit dem Gefährten DiCaprio die vereinte Konkurrenz Brangelina, die am Ende leer ausging, längst hinter sich gelassen.

Es gab keinen Show-Gastgeber, der wie bei den Oscars durch den Abend führte, sondern einen ganzen Reigen an Stars, die jeweils für wenige Worte auf die Bühne kamen. Ricky Gervais, ein bekannter englischer Komiker, beschwerte sich, dass er nicht nominiert sei, obwohl er mit 200 Journalisten Sex gehabt hätte, "noch dazu Ausländer, bärtige Europäer".

Genauere Betrachtung wert: die Briten

Und die prämierte Komikerin Tina Fey sagte, wenn man Gefahr laufe, ein zu positives Selbstbild zu entwickeln, dann gebe es "dieses Ding namens Internet". Also widmete sie den Preis ihren Lieblingsverächtern im Netz.

Standing Ovations gab es, als die zeitlose Demi Moore mit ihrer naturheiseren Islandwolle-Stimme verkündete, dass der Nebendarstellerpreis posthum an Heath Ledger (für seinen Joker in "The Dark Knight") gehe. Regisseur Christopher Nolan nahm den Preis entgegen und würdigte Ledger mit den Worten, dass die Stärke seines Schauspiels in der Vergangenheit den Verlust für die Zukunft weniger schmerzhaft mache.

Winslet, Nolan, Gervais - man hörte viel englischen Akzent an diesem Abend im Herzen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. So gingen die Globes für den besten Film, Regie, Drehbuch und Soundtrack an "Slumdog Millionaire". Der vom Engländer Danny Boyle mit indischen Schauspielern in Mumbai (Bombay) gedrehte Film könnte ein Globalisierungs-Blockbuster werden, an dem man wohl auch bei der Oscar-Verleihung am 22. Februar nicht vorbeikommen wird.

Zumindest zur runderneuerten Golden-Globes-Statuette passt "Slumdog Millionaire" perfekt. Es gibt auf den goldenen Weltkugeln jetzt detailliertere Kontinente zu sehen: Kann ja nicht schaden, auch Länder jenseits der Vereinigten Staaten mal genauer zu betrachten.

Woody Allens "Vicky Cristina Barcelona" wurde zur besten Komödie gekürt. Der Globe für den besten fremdsprachigen Film - die Kategorie, in der auch Uli Edels "Der Baader Meinhof Komplex" nominiert war - gewann "Waltz with Bashir" aus Israel.

Authentische Rock-'n'-Roll-Kaputtheit

Steven Spielberg wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet und bedankte sich mit einer minutenlangen Nerd-Anekdote, in der es um seine Spielzeugeisenbahn und seine erste Kamera ging - Drew Barrymore, Tom Cruise und Tom Hanks applaudierten ihm höflich.

Das Durchhalten lohnte sich für den Auftritt von Mickey Rourke. Er war bislang ohne Glück bei Preisverleihungen, aber immerhin zweimal für die Goldene Himbeere nominiert gewesen. Jetzt, da man ihn längst abgeschrieben hatte, gewann er den Golden Globe als bester Hauptdarsteller in dem Drama "The Wrestler". Auf dem Weg zur Bühne zog es ihm tatsächlich die Schuhe aus.

Dann stand er am Mikrofon, und man hätte ihn optisch für einen Helge-Schneider-Imitator aus der Provinz halten können. Doch als er zu reden begann und ihm noch cooler als zuvor Johnny Depp eine Haarsträhne ins Gesicht fiel, offenbarte er all die Rock-'n'-Roll-Kaputtheit, die Depp nur spielt.

Image und Rolle verschwammen, man musste an die Dialogzeile aus seinem Catcher-Film denken: "Ich bin ein Wrack, und das ist meine letzte Chance!" Sehr schön auch, dass Mickey Rourke sich bei Axl Rose, einem anderen Langzeitpatienten, bedankte.

Im Vorfeld war die Golden-Globe-Show sogar als Mittel gegen die Rezessionsangst angepriesen worden, als telemediale Insel seelischen Friedens. Völlig zu Recht, wie wir jetzt wissen: Ihnen allen, Mickey, Axl, Steven, und auch uns hoffentlich weniger schwerer Fällen, haben die Globes mal wieder geholfen. Und sei es auch nur dabei, mal wieder durch eine schlaflose Nacht zu kommen.

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