80. Golden Globes:Bereit für den Neuanfang?

80. Golden Globes: Eine Freundin habe ihm geraten, "das Geld der weißen Leute zu nehmen", sagt Moderator Jerrod Carmichael. Er hat für den Abend 500 000 Dollar bekommen.

Eine Freundin habe ihm geraten, "das Geld der weißen Leute zu nehmen", sagt Moderator Jerrod Carmichael. Er hat für den Abend 500 000 Dollar bekommen.

(Foto: Rich Polk/dpa)

Nach existenzbedrohenden Kontroversen sind die Golden Globes zurück im US-Fernsehen, die Stars sind wieder da, und alles soll besser sein.

Von Jürgen Schmieder

Die Hollywood-Stars bittet der Moderator Jerrod Carmichael erst einmal, dass sie bitte sehr die Klappe halten und sich hinsetzen mögen. Und dann kommt er auch schon auf den Punkt: "Ich bin hier, weil ich schwarz bin." Damit ist der Ton gesetzt bei der 80. Verleihung der Golden Globes, die am Dienstagabend nach einer existenzbedrohenden Kontroverse und einem Jahr Pause wieder im Fernsehen übertragen wurden. Sie sind auch alle wieder da: Stars wie Rihanna oder Brad Pitt, Fans vor dem Hotel, roter Teppich und natürlich auch Champagner. Großartige prämierte Filme wie "The Banshees of Inisherin" oder Steven Spielbergs "The Fabelmans". Und doch ist die Lage eine ganz andere.

Kurz zur Erinnerung: Anfang 2021 belegte die Los Angeles Times anhand detaillierter Recherchen: Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA), die es seit 1943 gibt und die seit 1944 diesen Preis vergibt, war eine Gruppe aus damals 87 Mitgliedern, die nicht besonders viel von journalistischen Standards hielten und sich bis an die Grenze zur Bestechlichkeit einladen oder beschenken ließen. Auch die Benachteiligung von People of Color wurde der HFPA vorgeworfen. Schwarze Mitglieder, schwarze Moderatoren der Golden Globes? Gab es nicht. Schwarze Preisträger? So wenige, dass selbst die Oscars im Vergleich als kunterbunt galten. Die Recherche der Los Angeles Times löste eine Menge Aufregung aus. Im vergangenen Jahr fanden die Golden Globes dann ohne Stars, ohne Fans und ohne Live-TV-Übertragung statt.

"Was hätten sie denn getan? Mich feuern, den ersten schwarzen Gastgeber in 80 Jahren?"

In diesem Jahr kehren die Globes also zurück ins Rampenlicht. Und Moderator Carmichael ist es wichtig zu betonen, dass dieses Comeback nicht unbedingt passiert, weil sich die HFPA gewandelt hat, sondern weil ihr keine andere Möglichkeit blieb. Denn: Ohne Golden Globes kein Geld (der TV-Sender NBC zahlt per Vertrag 62,5 Millionen Dollar pro Jahr bis zum Jahr 2025, ob er überträgt oder nicht), keine Relevanz bei Promis und damit bevorzugte Behandlung bei Interviewanfragen. HFPA-Präsidentin Helen Hoehne habe ihn drei Mal um ein Treffen gebeten und am Ende darauf gedrängt, um ihm all die ach so tollen Maßnahmen zu erklären. "Habe ich nicht nötig", sagt Carmichael: "Was hätten sie denn getan? Mich feuern, den ersten schwarzen Gastgeber in 80 Jahren?" Warum er den Job wirklich übernommen habe: wegen des Geldes (er kriegt 500 000 Dollar, und eine Freundin habe ihm geraten, "das Geld der weißen Leute zu nehmen") und wegen der Künstler im Saal.

Ausgezeichnet wurden nun einige. Unter anderem Eddie Murphy, einer der genialsten Komiker der Geschichte, mit dem Cecil B. DeMille Award für seine außergewöhnlichen Leistungen in der Unterhaltungsbranche. Außerdem Angela Bassett ("Black Panther: Wakanda Forever"), Tyler James Williams und Quinta Brunson ("Abbott Elementary"), Michelle Yeoh und Ke Huy Quan ("Everything Everywhere All at Once") sowie M.M. Keeravani (bester Song für "Naatu Naatu" aus "RRR"). Nicht zuletzt gilt der Moderator Carmichael als einer der besten Comedians derzeit.

80. Golden Globes: Beste Nebendarstellerin in "Black Panther: Wakanda Forever": Angela Bassett.

Beste Nebendarstellerin in "Black Panther: Wakanda Forever": Angela Bassett.

(Foto: Rich Polk/dpa)

Und er haut nicht drauf wie Ricky Gervais, der die Golden Globes bereits fünf Mal moderierte und dessen radikale Ehrlichkeit Teil seiner komödiantischen Genialität ist, sondern sagt nur: "Die HFPA hatte vor dem Tod von George Floyd kein schwarzes Mitglied - ihr macht mit dieser Info, was immer ihr wollt."

Würde nun wirklich jemand - und ja, diese Stimmen waren im Vorfeld der Verleihung in Hollywood zu hören - behaupten, dass die zahlreichen People of Color unter den Gewinnern nur prämiert wurden, weil sie People of Color sind, kann man antworten: Sie haben gewonnen, weil sie fantastische Künstler sind - und selbst wenn die Hautfarbe eine Rolle gespielt hätte: Na und?

Auf den Werbebannern ist das Motto zu lesen: "Joy and Desperation"

Man könnte eher fragen, warum Brendan Fraser nicht als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde - möge er für seine Rolle in "The Whale" den Oscar kriegen! Er wirft dem einstigen HFPA-Präsidenten Philip Berk - der mittlerweile auch kein Mitglied mehr ist - vor, ihn 2003 sexuell belästigt zu haben; und dass sich die HFPA nicht bei ihm entschuldigt habe (die HFPA sagt, dass sie Fraser zwei Entschuldigungen angeboten habe). "Man kann mir viel vorwerfen; aber nicht, dass ich ein Heuchler bin. Ich werde nicht kommen", sagte Fraser bereits im November dem Magazin GQ. Fraser gewann also nicht. Man könnte also schon behaupten, dass die HFPA immer noch gerne Preise an Leute vergibt, die auch zur Preisverleihung kommen.

Der Großteil von Hollywood scheint bereit zu sein, der Vereinigung eine neue Chance zu geben. Sie sind gut drauf, so gesteht White Lotus-Showrunner Mike White bei seiner Dankesrede (seine wunderbare Serie wurde als beste Mini-Serie ausgezeichnet), er sei ordentlich angetüdelt - wie es sich gehört für Hollywoods vermeintliche Party des Jahres. Es gibt ein paar durchaus witzige Gags über Will Smith und Tom Cruise. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij ist per Videobotschaft zugeschaltet.

Ob die Golden Globes am Ende wirklich eine zweite Chance kriegen - NBC übertrug sie in diesem Jahr gewissermaßen auf Bewährung - entscheiden jedoch noch immer die Zuschauer. In Prä-Pandemie-Zeiten hatten 18 Millionen zugesehen. 2021 waren es nur noch 6,9 Millionen, 2022 gab es keine NBC-Übertragung, also null. Die Zahlen für dieses Jahr werden in den USA am Mittwoch veröffentlicht. Das Motto hätte in diesem Jahr jedenfalls kaum treffender sein können: "Joy and Desperation", "Freude und Verzweiflung", war auf Werbebannern zu lesen gewesen.

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