Golden Globes - die Kritik:In aller Nacktheit

Ohne Stars und ohne Relevanz: Der Streik in Hollywood lässt die Golden Globes auf ihr wahres Format schrumpfen. Ein surreales Schulterzucken.

Tobias Kniebe

Nach den Wirren der Vortage blieb am Ende nur eine Frage, und die war bescheiden genug: ob Hollywood, in einem inspirierten Moment des Chaos, auch einmal ohne Autoren und Gagschreiber, ohne Skript und Teleprompter funktionieren würde. In letzter Minute hatten sich die Veranstalter entschlossen, die 65. Verleihung der Golden Globes als ganz normale, halbstündige Pressekonferenz abzuhalten - offen für alle Medien.

So konnte man das Nicht-Spektakel zum Beispiel auf CNN verfolgen, und in der streikbedingten Abwesenheit jeglicher Stars schlug die Stunde der Filmjournalisten. Sechs Entertainment-Moderatoren durften die Umschläge öffnen und die Gewinner verlesen, sie bemühten sich auch irgendwie, glamourös und witzig zu wirken - aber es half nichts. Auch der amerikanische Fernsehreporter, so die Botschaft des Abends, ist ohne seine Schreiber im Hintergrund heute hoffnungslos verloren.

Was diese Klone zu verkünden hatten, in liebloser Geschwindigkeit, unter würdelosem Zerfetzen der versiegelten Briefumschläge, begleitet vom müden Applaus der Pressekollegen, verstärkte noch den Effekt eines surrealen Schulterzuckens: "Abbitte", die Verfilmung des Romans von Ian McEwan, siebenfach nominiert, wurde als bester Film in der Kategorie Drama ausgezeichnet, gewann aber sonst nur noch für die Filmmusik und kann damit nicht als klarer Oscar-Favorit gelten. Zu Recht, wie man sagen muss, denn es liegt noch viel stärkere Konkurrenz im Rennen, von Paul Thomas Andersons Öl-Epos "There Will Be Blood" bis zum Irrsinns-Western "No Country For Old Men" von den Coen-Brüdern.

Nimbus in Gefahr

Der Golden Globe für Komödie oder Musical ging an Tim Burtons "Sweeney Todd" - aber da muss man sich fragen, ob die Globe-Jury nur ihre Unerschrockenheit demonstrieren wollte.

Wie der Untertitel vom "teuflischen Barbier aus der Fleet Street" schon nahelegt, werden in diesem düster-komischen Blutfest so viele Kehlen mit dem Rasiermesser durchgeschnitten, dass es doch sehr fraglich scheint, ob der Film noch größere Preise gewinnen kann. Den schreckhaften älteren Oscar-Wählern jedenfalls dürfte hier schon nach fünf Minuten das Gebiss aus dem Mund fallen.

Damit könnte sich ein Trend fortsetzen, der den Golden Globes schon in den letzten Jahren zu schaffen machte: ihr Nimbus als Orakel ist in Gefahr. Die Klüngel-Gemeinschaft der etwa achtzig "Auslandskorrespondenten", die über die Preise entscheiden, wird in Hollywood ohnehin nur zähneknirschend hofiert, und die Stars rollen genervt mit den Augen, wenn sie sich ständig mit diesen Leuten fotografieren lassen müssen. An der Treffsicherheit der Tippgemeinschaft in Sachen Oscar-Voraussage kam dennoch lange Zeit niemand vorbei.

Ins Absurde

Bis jetzt - denn in den letzten drei Jahren lag sie beim "Besten Film" konsequent daneben. Erschwerend kommt hinzu, dass nach dem Chaos der Gala-Absage offenbar auch das Verhältnis zum Sender NBC gefährdet ist, Klageandrohungen stehen im Raum. NBC war es, der Mitte der neunziger Jahre die Globes zu einer millionenschweren Fernsehshow aufgeblasen und damit ihre Bedeutung überhaupt erst ins Absurde gesteigert hat.

Die diesjährige Ausgabe im glanzlosen Taschenformat entsprach da schon eher den wahren Gegebenheiten: Dies ist im Wesentlichen ein kleiner Club älterer Teilzeitjournalisten, die wie ihr Präsident Jorge Camara gern schlechtsitzende Anzüge und merkwürdige Schnurrbärte tragen und keinen höheren Sinn darin sehen, richtiges Englisch zu lernen. Zu den positiven Effekten des Streiks könnte es also gehören, dass dies nun einmal in aller Nacktheit sichtbar wurde.

Einige Namen, die an diesem Abend ausgezeichnet wurden, wird man in der laufenden Filmpreis-Saison trotzdem noch öfter hören: Die Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis ("There Will Be Blood") und Johnny Depp als "Sweeney Todd" sind ziemlich konsensfähig, ebenso Julie Christie in ihrer schönen Altersrolle "An ihrer Seite".

Auch die siegreichen Nebendarsteller, Cate Blanchett als Bob-Dylan-Double in "I'm Not There" und Javier Bardem als unaufhaltsamer Killer der Coen-Brüder, dürfen mit weiteren Ehrungen rechnen, ebenso Julian Schnabel für seine Regie von "Schmetterling und Taucherglocke". Eine Überraschung ist dann schon eher Marion Cotillard, die für ihre Darstellung der Edith Piaf in dem französischen "La Vie en Rose" als Hauptdarstellerin gewann.

So schnell, schmerz- und rückstandsfrei gingen diese traurigen dreißig Minuten am Ende vorbei, das ein lange nicht gekannter positiver Effekt eintrat: Man freut sich endlich wieder einmal so richtig auf die Oscar-Verleihung - wenn sie denn stattfindet.

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