Golden Globes:Derbe Sprüche und viel Pieps bei den Golden Globes

Handout photo of host Ricky Gervais standing with presenter Mel Gibson at the 73rd Golden Globe Awards in Beverly Hills

Als sich Ricky Gervais mit Mel Gibson unterhielt, gab es einen längeren Pieps bei der Übertragung. Warum wohl?

(Foto: REUTERS)

Moderator Ricky Gervais flucht sich durch die 73. Verleihung der Golden Globes, wo ein starker Jahrgang an Filmen und Serien salomonisch ausgezeichnet wird.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Sittenwächter des amerikanischen Fernsehens hatten einiges zu tun bei der Verleihung der 73. Golden Globes am Sonntagabend. Schuld daran war vor allem der herrlich selbstironische Moderator des Abends, der Komiker Ricky Gervais. Er erklärte den prominenten Gästen zunächst, dass sie sich doch bitte schön nicht so wichtig nehmen mögen: "Niemanden interessieren diese Preise so sehr wie euch!" Die Golden-Globe-Statuette, die er selbst einst gewonnen hat, schiebe er sich deshalb regelmäßig in den, nun ja . . .

Die Verantwortlichen des Senders NBC, der die Golden Globes überträgt, piepsten den Großteil seiner Fluchtiraden einfach weg. Solch derbe Sprüche gibt es im amerikanischen Showgeschäft sonst bei kaum einer anderen Veranstaltung. Nicht umsonst wird die Show in einem Festsaal abgehalten, wo sonst Hochzeiten, Tanzpartys und Geburtstage reicher Leute stattfinden. Der Champagner fließt in Strömen, die Gäste laufen herum. Die Sängerin Katy Perry bestellt dem mit einem Ehrenpreis bedachten Schauspieler Denzel Washington zwischendurch schnell mal einen saftigen Burger.

Es ist eine auch für den Zuschauer unterhaltsame Veranstaltung, eine wohltuende Abgrenzung von den immer so bedeutungsschwer daherkommenden Oscars, den arg selbstverliebten Emmys und der auf sentimentale Momente getrimmten Grammy-Verleihung.

Otto träumt von einer Freiheit, die er nur aus dem Fernsehen kennt

Die Golden Globes stehen aber auch für den Beginn jener Preissaison, in der Kritiker gerne auf die vorgeblich schreckliche Industrie in Hollywood draufhauen, die sich bei Blubberwasser selbst feiert - gerne auch für die eigene Ideenlosigkeit. Eine Industrie, die vor allem von Fortsetzungen und Superheldenfilmen lebt, und von der so mancher meinen könnte, sie spiele wie das Orchester auf der Titanic fröhlich weiter, obwohl das Schiff bereits untergeht. Wie passend, dass an diesem Abend in Beverly Hills auch noch die beiden Schauspieler aus dem "Titanic"-Film ausgezeichnet wurden: Kate Winslet für ihre Rolle als resolute Assistentin in "Steve Jobs" und Leonardo DiCaprio für den Survival-Western "The Revenant", in dem er gegen einen Grizzly und die klirrende Kälte kämpft.

Bei den Golden Globes werden gleichermaßen Werke aus Kino und Fernsehen prämiert, was sie mittlerweile zu einem besseren Seismografen für die Befindlichkeiten der Filmindustrie macht als die konservativen und kinofixierten Oscars. Was sich in diesem Jahrgang deutlich bemerkbar machte: Die Hollywoodautoren haben sich bei ihren gewitzten und gefeierten Fernsehkollegen mittlerweile wieder einiges abgeschaut - auch jenseits des viel gescholtenen Blockbuster-Mainstreams.

In den vergangenen zwölf Monaten waren auf der Leinwand wirklich einige großartige Filme zu sehen, die sich vor der harten TV- und Streamingkonkurrenz nicht zu verstecken brauchen, und für die Blockbuster-Fortsetzungen gab es am Sonntag ohnehin keine Auszeichnungen.

Es gab stattdessen Preise und damit Aufmerksamkeit für jene Filme, die nur aufgrund der Einnahmen von diesen Blockbustern produziert werden können: das packende Mutter-Sohn-Drama "Room" etwa, oder die American-Dream-Groteske "Joy". Und für die rührende Rocky-Renaissance "Creed", für die Sylvester Stallone seinen ersten Golden Globe erhielt. Wer weiß, vielleicht wird er an diesem Donnerstag tatsächlich auch noch für die Oscars nominiert . .

Von der Kunst, den richtigen Abspielort zu finden

. Natürlich ist finanzieller Erfolg kein Indiz für künstlerische Qualität - es ist aber auch kein Beweis für das Gegenteil, wie diese Golden Globes bewiesen haben. Gewaltige und dennoch anspruchsvolle Produktionen wie das Weltraum-Drama "Der Marsianer" (beste Komödie und Matt Damon als bester Schauspieler in einer Komödie) und "The Revenant" (bestes Drama, Alejandro G. Iñárritu als bester Regisseur und Leonardo DiCaprio als bester Hauptdarsteller) belegen das. DiCaprio fühlte sich bei seiner Dankesrede - eine der wenigen ohne Piepsen, weil er ganz brav nicht fluchte - deshalb auch bemüßigt zu sagen: "Es war ein großartiges Filmjahr."

Einziges Manko in diesem sonst recht salomonischen Preisregen: Die hübsche Patricia-Highsmith-Verfilmung "Carol", die mit den meisten Nominierungen ins Rennen gegangen war, ging komplett leer aus - obwohl gerade sie ein Highlight der vergangenen Monate war.

Enttäuschung für Netflix

Konstant stark war die Konkurrenz im Serienbereich, wo sich nicht mehr nur Bezahlsender wie HBO mit edlen Hochglanzwerken um die Preise bewerben, sondern auch Streamingdienste wie Amazon und Netflix. Das bereits vor Jahren ausgerufene Goldene Zeitalter des Fernsehens dürfte durch den Mut und die finanziellen Mittel der Streamingportale zu einem Platinen Zeitalter für serielle Formate werden.

Besonders groß dürfte deshalb jetzt die Enttäuschung bei den Netflix-Machern sein: Trotz der meisten Nominierungen für TV-Serien wie "Orange Is The New Black" und "House of Cards" gab es für die Online-Videothek keinen einzigen Preis. Ansonsten bleibt es bei dem Trend, dass immer mehr Kinospezialisten zur TV-Konkurrenz wechseln und herausragende Serien kreieren. Zum Beispiel den Hacker-Thriller "Mr. Robot" (beste Dramaserie und Christian Slater als bester Hauptdarsteller) oder "Mozart in the Jungle" (beste Komödie). Für ihren schrägen Auftritt in "American Horror Story" bekam das singende Gesamtkunstwerk Lady Gaga den Preis für die beste Darstellerin in einer Miniserie.

Die Bilanz des Abends: Es werden immer noch großartige Geschichten in Hollywood produziert - sie sind nur über ganz unterschiedliche Medien zu bestaunen. Die Kunst besteht darin, den richtigen Platz für ein Format zu finden - so wie Moderator Ricky Gervais den passenden Ort für seine derben Sprüche gefunden hat. Zum Abschluss ist noch zu klären, was er eigentlich von Mel Gibson wollte. Der war zwar für keinen Preis nominiert, stand aber trotzdem auf der Bühne - und es gab einen längeren Pieps, als Gervais sich mit ihm unterhielt.

Wer im Saal war, der hörte sehr wohl, was er ihm sagte: Gibson hatte im Jahr 2006 eine Polizistin im Vollrausch als "Sugar Tits" bezeichnet - und Gervais wollte genauestens erklärt bekommen, was genau das bedeuten soll. Wem das zu viel Kalauerei ist: Am 28. Februar werden die Oscars verliehen. Dort dürfte es gesitteter zugehen - aber auch langweiliger.

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