Fünf Kronen, keine gleicht der anderen, fast jede strahlt von goldenen Schmuckelementen, die aber nicht nur kostbare Zierde und originelles Design darstellen, sondern voller symbolischer Bedeutungen sind und der individuellen Prachtentfaltung ihres jeweiligen Trägers dienen. Eine zum Beispiel gleicht einem spitz zulaufenden Helm, der rundherum mit aufrecht stehenden Henkermessern dekoriert ist. Diese martialische Krone besteht aus einem Lederhelm, auf dem die hölzernen Messer appliziert und – natürlich – mit Gold überzogen sind. Eine andere rundet sich zum Reif aus Elfenbein mit geschnitzten Löwen und Blumen, ebensolcher Krone und einem Thron.
Elfenbein ist besonders selten und kostbar, weil es in Westafrika so gut wie keine Elefanten gibt. Bei einer dritten Krone hängen hinten zwei präparierte echte Leopardentatzen über den Nacken ihres Trägers. Der Leopard ist das mächtigste Raubtier in Westafrika, wo es keine Löwen gibt. Dass der Löwe überhaupt als Herrschaftstier Einzug in den so vielfältigen Kanon von Ranginsignien der Akan halten konnte, liegt an der Kolonisierung durch die Briten, bei denen der Löwe als zentrales Herrschaftszeichen gilt. Dementsprechend bleckt ein herrlicher goldener Löwe seine Zähne übergroß. Hinter dem Gehege der Zähne leuchtet es rot auf. Der Goldschmied dieses 1915 entstandenen Schwertemblems, das ist ein Zusatz auf der Schwertscheide, nahm sich etwas vom berühmten roten englischen Uniformtuch. Das geöffnete Maul des Löwen wirkt wie ein überdimensionales grinsendes Zähnezeigen gegenüber jedwedem Gegner, Aufrührer oder Feind.
Was für eine königliche Pracht, was für ein edler Glanz, was für eine handwerkliche Erfindungsfreude, die da in den Ausstellungsräumen des Knauf-Museums im unterfränkischen Weinstädtchen Iphofen ausgebreitet wird! Es sind goldene Artefakte von den Königshöfen verschiedener Völker der Akan, die da leuchten und schimmern, unglaublich gestaltenreich und im Dargestellten, selbst in den abstrakt scheinenden Mustern, stets voll symbolischer Zeichen und Bedeutungen. Die Akan-Völker – um ein paar zu nennen: Ashanti, Fante, Baule, Akyem und Bono neben vielen Untergruppen – leben in den heutigen modernen Westafrikastaaten Ghana und der Elfenbeinküste. Zu Zeiten der Kolonisierung und davor hieß dieser Teil Westafrikas im Kolonialistenslang einfach Goldküste.
Die großen Akan-Clans bilden gewissermaßen das heute noch wirksame gesellschaftliche Unterfutter, und sie feiern an den wichtigen Festtagen in imponierenden Zeremonien ihre Macht und Wichtigkeit, wie in der Ausstellung auf vielen großformatigen Fotos und in der Videoschau zu sehen ist. Berühmte Akan sind etwa der Friedensnobelpreisträger Kofi Annan oder die Fußballbrüder Boateng. Der Paramount-Chief, also der König, wird in der reich geschmückten Sänfte getragen, umgeben vom Hofstaat mit den königlichen Schwertträgern und den wichtigen Sprechern, zu erkennen an ihren zeremoniellen Holzstäben. Auf deren oberem Ende blitzen figürliche Szenen golden auf.
Jede dieser aus Holz gefertigten und mit Blattgold überzogenen Szenen lässt sich für den Eingeweihten lesen als plastische Umsetzung eines jener zahllosen Sprüche und Weisheiten, die in der Akan-Gesellschaft seit Jahrhunderten kursieren. So krönt eine Hand, die ein Ei hält, einen Sprecherstab. Die darin symbolisierte Weisheit bedeutet im Sprichwort: „Ein Herrscher zu sein, ist wie ein Ei in der Hand zu halten; wenn es zu stark gedrückt wird, zerbricht es; wenn es aber nicht stark genug gehalten wird, gleitet es aus der Hand und fällt zu Boden.“
Es ist nicht nur das strahlende Gold an Ringen, Armreigen, Halsketten und Pektoralen, was die Paramount-Chiefs der verschiedenen Akan-Völker je heraushebt, sondern auch ihre in raffiniert gemusterte Stoffe gehüllte Erscheinung. Diese als Kente bezeichneten Stoffe werden von den königseigenen Webern hergestellt aus Baumwolle oder Seide. Die Seide für die Kente gewann man durch das Aufribbeln von eingehandelten Seidengewändern aus anderen Regionen. Die Mustervielfalt ist ungemein fesselnd. Was dem ungeübten europäischen Auge als ähnlich erscheint, ist für die Akan genau definiert, denn jeder König hat seine ganz eigenen Muster, die inhaltlich jeweils in seinem Sinne zu deuten sind. Auch für den naiven Betrachter ist die außergewöhnliche Qualität und jeweilige Musteridentität der Kente-Stoffe sofort erkennbar: Abstraktion durch höchste Kunstfertigkeit.
Wenn ein König die Lust an einem Stück verliert, lässt er sich aus dem alten ein neues Stück fertigen
Demgegenüber tummeln sich auf den Pektoralen, den Kronen und Armbändern, den Scheiden der Zeremonialschwerter und sogar den Ringen alle möglichen goldenen Tiere von Fröschen und Spinnen bis zu Hühnern, Krokodilen und Welsen, manchmal von imponierender Größe. Wie nicht anders zu erwarten, haben sie alle ihre je eigene Bedeutungsaura. Eine fast faustgroße Spinne auf ihrem schirmartig gewölbten Netz – das Ganze an goldener Kette auf der Brust zu tragen – bannt den Blick in ihrer Genauigkeit und gefährlichen Ausstrahlung. Anansi, die Spinne, gehört zu den wichtigsten göttlichen Wesen im Akan-Kosmos, mal ist sie der Clown, Spaßmacher, aber auch Gauner kann sie sein, mal ist sie der Diener des Schöpfergotts Nyame. In manchen westafrikanischen Mythen ist sie der Erschaffer der Menschen, sie hat Sonne, Mond und Sterne und den Wechsel von Tag und Nacht „erfunden“. Anansi gilt auch als Lehrer der Menschen, dem sie Getreideanbau und dazugehörige Verarbeitungstechniken zu verdanken haben. Doch bleibt die göttliche Spinne aufs Ganze gesehen eine zwielichtige Macht.
Jedes dieser grandios gearbeiteten Goldobjekte ist einmalig, denn die Goldschmiede der Akan-Chiefs benutzten und benutzen bis heute die Gusstechnik der verlorenen Form: Das heißt, das Objekt, etwa ein Frosch auf einem Pektoral, wird in aller Präzision in Wachs vorgeformt, dann von Ton umschlossen. Dann wird die Tonform erhitzt, das Wachs schmilzt, nun wird das flüssige Gold in die Hohlform gegeben. Nach Abkühlung wird die Tonform zerschlagen, der Guss des Frosches kann also nicht wiederholt werden. Auch die hauchdünnen Goldwebfäden werden so gewonnen, die in 1001 Mustern die Miniaturschilde und -tafeln schmücken und in jeder Blickrichtung schimmern. Sie zieren die Halsketten, deren Accessoires nicht symmetrisch angeordnet sind, sondern vielmehr wichtige Zeichen und Symbole um den Hals des tragenden Fürsten versammeln. Übrigens spielen auch Launen und Vorlieben der Könige eine Rolle für die Produktion der Akan-Goldwerke. Wenn ein König die Lust an einem Stück verliert, beauftragt er seine Goldschmiede, aus dem alten ein neues, anderes Stück zu fertigen.
Im Gusszusammenhang spielen die Gewichte, mit denen die Goldschmiede das Gold wogen, eine große Rolle. Sie sind meist aus Messing, und auch sie sind figurenreich plastisch gestaltet. Eine kleine, hinreißend schwungvoll gestaltete Antilope etwa steht auf nur drei Beinen, das vierte hat der Schmied entfernt, um auf das genaue Goldgewicht zu kommen. Oder ein kleines Sandalenpaar, eine der bedeutsamen Ranginsignien bei den Akan, war offenbar zu leicht, also wurde auf der Sohlenunterseite ein Bleiklecks angebracht, um das richtige Gewicht zu erreichen. Auch bei diesen feinen Werken tummelt sich die ganze Tierwelt Westafrikas von der Spinne bis zum Krokodil, vom Skorpion bis zum Löwen und Leoparden und bietet den „Kunden“ gleich die dreidimensionale Figur dessen, was dann in Gold entstehen soll. Im Großen und Ganzen sind in Iphofen Goldkunstwerke aus dem 19. und 20. Jahrhundert versammelt. Für genauere Datierungen braucht es noch viel Forschungszeit.
Die Artefakte stammen allesamt aus dem Sammlungskonvolut des österreichischen Großsammlers Herbert Liaunig in Kärnten. Doch die eigentlichen Finderhelden dieser einzigartigen Artefakte aus Westafrika sind die Schweizer Denise und René David, die in Jahrzehnten afrikanische Kunst nach Europa, aber dann auch wieder zurück nach Afrika brachten. In Ghana erlangte David über die Jahrzehnte seiner Reisen dorthin und über die langen Aufenthalte hinweg Freundesstatus bei den Königen und Würdenträgern, die ihm so manches Goldkunstwerk überließen. René David schenkte Hunderte Kunstwerke an afrikanische Museen etwa in Ghana und gründete selbst eines in Lomé in Togo, wo er auch bis kurz vor seinem Tod 2015 lebte. David gilt in Afrika als große Instanz der afrikanischen Kunst. Renés Sohn Jean schließlich bot Herbert Liaunig die elterliche Afrikagoldsammlung an, die auf diese Weise nach Kärnten in Liaunigs eigenes Museum gelangte und nun in Iphofen den höfischen Goldglanz der Akankönige in einzigartiger Vielfalt ausstrahlt.
Das Gold der Akan. Bis 10. November 2024 im Knauf-Museum Iphofen. Katalog 198 Seiten, 30 Euro.