Götz George zum 70. Geburtstag:"In seinen Augen sieht man die Angst"

Dieser Mix aus Toughness und Sentiment: Als Raubein Schimanski hat er alle anderen Tatort-Kommissare in den Schatten gestellt - aber Götz George ist mehr.

Fritz Göttler

Also, es gibt Sachen, in der Filmgeschichte und überhaupt, die tut man einfach nicht. Fassbinder schräg anquatschen zum Beispiel, während er am Flipper steht. Götz George hat's getan, die Story taucht in der neuen George-Biographie von Torsten Körner auf (Scherz Verlag).

Götz George zum 70. Geburtstag: Legendär, die eisblauen George-Augen.

Legendär, die eisblauen George-Augen.

(Foto: Foto: dpa)

Es war am Kurfürstendamm, George drehte da mit Ulli Lommel, eine Nachtszene vor dem Eden Saloon. Fassbinder kam vorbei, direkt aus Paris, verzog sich in den Spielsalon nebenan, an den Flipperautomat.

George trat dazu, um mit ihm über ein neues Projekt, die TV-Serie "Acht Stunden sind kein Tag" zu sprechen: "Tach! Die Bücher sind gut, aber wir müssen uns noch über das eine oder andere unterhalten. Wäre gut, wenn wir uns hinsetzen, und ich erzähle Ihnen, was mir dazu einfällt."

Fassbinder reagiert natürlich nicht, George wiederholt sein Ansinnen, mehrmals, keine Reaktion. Bis George mit einem kräftigen "Wenn Sie mir nicht antworten, drehen Sie Ihren Scheiß alleine" sich abwendet.

Vielleicht hätte Fassbinder etwas von dem Götz George der Sechziger zurückholen können, dem Jungspund der Karl-May-Filme und von Kurt Hoffmanns irre komischem "Liebe will gelernt sein".

Hat er womöglich auch an den Franz Biberkopf gedacht, in seinem Lebensprojekt "Alexanderplatz" - der Vater Heinrich George hatte ihn damals in der Verfilmung von Phil Jutzi gespielt. Wie hätten die legendären blauen George-Augen strahlen müssen, wenn Fassbinder und Ballhaus ihre Spots darauf gelegt hätten.

Das war 1972, und damals schien noch alles möglich zu sein. Zehn Jahre später war dann Schimanski da, und nun war alles nur noch ein Versuch, den Mythos zu handhaben. Kurz davor hatte es Büchners Danton gegeben, von Noelte inszeniert in Salzburg 1981: "Das ist erbärmlich. So ein armseliges Instrument zu sein, auf dem eine Saite immer nur einen Ton angibt! 's ist nicht zum Aushalten."

An Schimanski liebt Götz George die Teamarbeit, in der Rolle, am Set. Professionalismus, das ist es, was sein Leben ausmacht. Er hat eine höllische Angst, auf der falschen Seite zu stehen. Dort, wo alles fake ist, übertrieben, aufgeplustert, unehrlich.

Der Professionalismus fängt bei ihm mit einem kompakten Oberkörper an, mit eigenen Stunts und einem rigorosen Mens sana in corpore sano. Er endet mit einem anstrengenden Zuständig-sein-für-alles-Gefühl. Nichts den anderen überlassen und nichts dem Zufall. Vertrauen ist okay, aber nur Kontrolle baut Enttäuschungen vor, persönlichen, familiären, von Seiten der Kritik. Ein sehr deutscher Profi-Begriff.

In der Biographie ist auch zu lesen, wie Sieghardt Rupp, in den Vor-Schimanski-Zeiten als Kressin der Tatort-Rabauke, sich über den Minimalismus des amerikanischen Kollegen Clint Eastwood, den er in Rom beobachten konnte, mokiert - und wie George und Rupp dann aber schwer beeindruckt sind, wie cool das auf der Leinwand rüberkommt.

George setzt aber lieber auf seine Techniken der Identifikation, dekonstruiert sie nur, indem er Leute wie den Auschwitz-Kommandanten Höß spielt, in "Aus einem deutschen Leben", den "Sandmann", den "Totmacher" für Romuald Karmakar. Er hat die Coppa Volpi in Venedig dafür gekriegt, und sich konsequent mit dem jungen Filmemacher angelegt über dessen Distanzierungskonzept.

An der Dialektik von Rückzug und Vorpreschen, von Beständigkeit und Risiko, im Hinundher zwischen Hamburg und seinem Refugium auf Sardinien arbeitet Götz George sich weiterhin ab.

Mit seinem Schimanski hatte er die Deutschen aus Jahrzehnten trübsinniger Selbstreflexion geholt, aber dann zeigte sich, dass auch die Bodenständigkeit harte Arbeit bedeutet, dieser Mix aus Toughness und Sentiment.

Helmut Dietl weiß ganz genau, warum er Götz George für "Schtonk!" haben wollte: "Ich habe einmal gesagt, man braucht nur in seine Augen zu schauen, dann sieht man die Angst. Und für die Rolle brauchte ich jemanden, der Angst hat und geliebt werden will."

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