Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher:Hausaufgaben machen

Das Leben ist ein ewiges Schülerdasein. Ständig müssen alle pauken, büffeln und nacharbeiten.

Von Christine Dössel

Bloß gut, dass bald die Sommerferien anstehen, dann kommen nicht nur die geplagten Schülerinnen und Schüler endlich zur Ruhe, sondern auch all die älteren Semester, die ständig irgendwelche Hausaufgaben machen oder unbedingt noch machen müssen. Sei es in der Wirtschaft, im Gesundheitswesen oder in der Politik. Überall herrscht der Druck des Paukens und Büffelns und Nacharbeitenmüssens. Ewiges Schülerdasein. Nicht einmal die Athleten sind davor gefeit. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte der walisische Fußballstar Gareth Bale jüngst vor dem EM-Gruppenspiel gegen Italien. Hätten sie mal lieber trainiert, dann hätten sie vielleicht sogar gewonnen. Aber es stubenhocken jetzt ja immer alle fleißig über ihren Hausaufgaben. Und bei Erledigung gibt es zur Respektbezeugung ein rhetorisches Fleißbildchen: "Die chinesischen Autobauer haben ihre Hausaufgaben (bei der Elektromobilität) gemacht!" Eins a. Vorbildlich. Musterschülerhaft.

Aber wehe, jemand trödelt oder geht lieber spielen. Dann gibt es öffentlich eins auf den Deckel: "Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat ihre Hausaufgaben (beim Tierwohl-Label) nicht gemacht." Mangelhaft. Undiszipliniert. Eintrag ins Klassenbuch. Andere müssen permanent aufgefordert werden: "Bundesgesundheitsminister Spahn soll endlich seine Hausaufgaben machen!" Was hätte er während der langen Lockdown-Monate für sein Fach nicht alles vor- und nacharbeiten können. Überhaupt: War Corona nicht eine einzige große Hausaufgabe? Und es reißt ja nicht ab. Alle schon die Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz gemacht? Na, dann jetzt mal hinsetzen, Freunde.

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