Die einen kommen, weil sie als Kuratoren die Sharjah-Biennale nach wichtigen Künstlern durchforsten, die anderen nehmen mit großer Selbstverständlichkeit an Diskussionen teil, die "Global Art Forum" heißen. Es gilt, der Kunstwelt ein "business as usual" vorzuführen, einen scheinbar selbstverständlichen Diskurs über die gängigen internationalen Themen und Trends. Das soll belegen, dass man sich nicht in einem Entwicklungsland befindet. Wichtig ist weniger der Inhalt als dass sich in Dubai an einem Nachmittag Catherine David und Carolyn Christov-Bakargiev begegnen könnten, die ehemalige und die künftige Documenta-Leiterin, während die als kritisch geltende Autorin Isabell Graw auf einem Panel über "Art and Fashion" diskutiert, auf dem anschließend Starkurator Hans-Ulrich Obrist auftritt.
So soll die Filiale des Guggenheim Museums in Abu Dhabi einmal aussehen: Frank Gehry konzipierte das Modell für das weltweit größte Kulturzentrum, das - der Berliner Museumsinsel ähnelnd - auf einer Insel 500 Meter vor der Küste der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate entstehen soll.
(Foto: picture-alliance/ dpa)Tatsächlich ist aber während der vergangenen Jahre eine Generation von Künstlern groß geworden, die in irgendeiner Weise über ihre Herkunft der arabischen Welt verbunden ist und die - wie es die zehnte Ausgabe der gerade eröffneten Sharjah-Biennale belegt - erstaunlich politische Kunst liefert. Vom Ölgemälde, das verschleierte Mädchen mit Schulranzen zeigt, bis zur Videocollage aus Überwachungskameras gibt es viel zu entdecken. Zunehmend löst man sich vom Blick des Westens, dessen Akteure, wie das Guggenheim, nicht mehr als Entwicklungshelfer auftreten, sondern froh sein müssen, ihren Kanon am Golf prominent platzieren zu dürfen.
Kunst ist keine Ware
Relevant ist nicht länger, was von der Tate Gallery angekauft wird, die sich eine eigene Sektion für die Region leistet. Relevant ist jetzt die Kunst, die mit dem Abraaj Capital Art Prize ausgezeichnet wird, der mit einer Million Dollar als höchst dotierter Kunstpreis der Welt firmiert und stets unter mehreren Künstlern aufgeteilt wird.
Dass ausgerechnet diese hoch subventionierte Szene jetzt gleichzeitig gegen Guggenheim und die Gastarbeiter-Ökonomie am Golf protestiert, ist ein unerwarteter Schlag vor allem, weil Künstler wie Kader Attia sich dem Protest anschließen, einer der wichtigsten Preisträger der vergangenen Jahre. Sein Vater arbeitete in Algerien, Nordafrika und später in Frankreich als Bauarbeiter. "Wir dürfen nie aus dem Blick verlieren, wer diese schöne Architektur baut. Die Bedingungen, unter denen dort gearbeitet wird, sind weit unter dem akzeptablen Durchschnitt."
Für Attia ist es wichtig, dass auch westliche Künstler - unter anderen Hans Haacke, Monica Bonvincini, Barbara Kruger und Willie Doherty - das Statement unterzeichnet haben. Die international gefeierte Emily Jacir sagt: "Wir unterstützen den Aufbau kultureller Einrichtungen auf Saadiyat Island, aber wir fühlen uns verantwortlich, alles in unseren Möglichkeiten Stehende zu tun, um die Rechte der Arbeiter sicherzustellen."
Der Protest belegt einmal mehr: Kunst, auch zeitgenössische, ist keine Ware wie jede andere. Viele Künstler begreifen es als ihre ureigene Aufgabe, nach dem richtigen Leben im falschen zu suchen, zumindest nach ein paar Quadratmetern Wahrheit. Kritische Kunst wird als Versprechen auf politisch diskursfähige Verhältnisse eingekauft - mit Widerspruch muss man dann auch leben können.
Nicht alle sehen das so. Walid Raads Galeristin, Andrée Sfeir-Semler, die seit Jahrzehnten in der Region arbeitet und Galerien in Hamburg und Beirut unterhält, stört sich an den lauten Forderungen: "Man kann die Freiheit, die einem die Kunst erlaubt, nicht einfach für politischen Protest in Anspruch nehmen." Die Verantwortlichen hätten sich längst gesprächsbereit gezeigt.
Rufer in der Wüste
Doch die Künstler haben von stiller, satt gefütterter Diplomatie genug. Sie demonstrieren nicht nur für die 15000 Arbeiter, die auf der Großbaustelle wie Sklaven zunächst ihre Anwerbungskosten abarbeiten müssten, sondern auch für ihre eigene Position: als Rufer in der Wüste, als politisch handelnde Bürger, deren Pflicht es ist, anderen Menschen als ihresgleichen zu begegnen.
Zufällig weilt am Golf gerade auch Richard Armstrong, Direktor der Guggenheim Foundation, der die Lebensbedingungen der Arbeiter nach einer Stippvisite in den Wohngebäuden gegenüber der New York Times als "unvergleichlich" bezeichnet. Dennoch heißt es, Politik und Museum seien bemüht, die Kritik der Künstler auszuräumen.
Dass es das Guggenheim trifft - und nicht ein anderes Vorzeigeprojekt wie das gerade erst eröffnete Doha-Museum - liegt vielleicht auch daran, dass diese neueste Filiale der global agierenden Firma Guggenheim agiert wie ein souvenirraffender Fürst: "Guggenheim interessiert sich doch überhaupt nicht wirklich für die lokale Szene", sagt Nav Haq vom Kunstzentrum Arnolfini in Bristol, der mit "Marker" ein Projekt über Graswurzel-Kunstprojekte in der Region kuratiert. "Guggenheim sammelt bekannte Namen ein, als Pflichtprogramm. Eine Kulisse für die in New York geplanten Wander-Schauen."
In den Vereinigten Emiraten geht es nicht allein um die Lebensbedingungen von Arbeitern. Der Streik der Künstler zielt auf mächtige Akteure der Kunstwelt wie das amerikanische Guggenheim-Imperium. Vor Ort steht die Gastarbeiter-Ökonomie auf dem Prüfstand, die sich auf dem Markt der Migranten ebenso eindeckt wie mit Luxusartikeln und Kunst. Die Künstler riskieren Förderpreise und Ankäufe. Es geht ihnen um die Glaubwürdigkeit der Kunst, wenn sie fragen, wie Museumswände hochgezogen werden.
Eine Kunst, die für solche Fragen offen ist, muss sich eine Gesellschaft erst einmal leisten wollen.