Giorgio Armani wird 80:Spätsommer der Lässigkeit

Giorgio Armani: Ich muss besser auf mich aufpassen

Der italienische Designer Giorgio Armani auf einem Archivbild aus dem Jahr 2009.

(Foto: dpa)

Giorgio Armani entwirft Kleider, die Falten bekommen, ohne zu welken - für Menschen, die können, aber nicht müssen. Er selbst ist sein idealer Kunde. Am Freitag wird er 80 Jahre alt.

Von Thomas Steinfeld

Als Bruce Wayne, die zivile Gestalt hinter Batman, für den Film "The Dark Knight Rises" (2012) angezogen werden musste, kleidete man ihn in zwei Anzüge, die Giorgio Armani für ihn entworfen hatte: einen mit dunklen Nadelstreifen und einen in zart kariertem Grau. Die engen Hosen, die James Bond trägt, die überaus korrekten amerikanischen Anzüge der ewigen "Mad Men", wie sie Ralph Lauren schneidert - sie alle wären nichts gewesen für einen jungen, eleganten Mann, der nichts verdienen muss, weil er sehr viel Geld hat, und sie wären auch nichts gewesen für einen Mann, der seine eigentliche Arbeit in einem hautengen Kampfanzug verrichtet. Von Eleganz zeugen diese Anzüge, von Beständigkeit, auch im Vergehen, vor allem aber von Lässigkeit. So etwas trägt man, weil man es will und es sich leisten kann, und nicht, weil man muss.

Weit mehr als dreißig Jahre geht das mit diesen Anzügen jetzt so, und auch wenn in dieser Zeit vor allem die Jacken sich verändert haben, kleiner geworden sind (und manchmal sogar so modisch klein, dass sie den Körper eher ausstellen als verhüllen), an den Schultern weniger ausladend, so sind sie doch stets als Entwürfe aus dem Haus Giorgio Armani zu erkennen, an diesem Ineinander von edel und lässig, von Idealisierung und Einfachheit.

Blau steht bei Armani in doppeltem Kontrast

Einige Stücke aus der tieferen Vergangenheit mögen dabei als nicht mehr tragbar erscheinen - die kolossalen Zweireiher zum Beispiel, wie sie Leonardo DiCaprio in "The Wolf of Wallstreet" (2013) trägt, aber dieser Film spielt eben in den frühen Neunzigern. Daneben aber gibt es Etliches, dem man kaum ansieht, ob es schon seit fünf oder fünfzehn Jahren in der Garderobe hängt. Das gilt vor allem für Kleidung, die für den beruflichen Alltag bestimmt ist, bei Männern wie bei Frauen.

Das hat besondere Gründe. Einer besteht darin, dass sich seine Mode weniger an spektakulären Auftritten orientiert, sondern an alltägliche, allgemeine Erlebnisse gebunden bleibt: an das Büro vor allem. Darin eingeschlossen sind die ostasiatischen Kulturen, von denen sich Armani, erkennbar etwa an Stehbündchen und Kimono-Schnitten, anregen lässt. Ein zweiter Grund liegt darin, dass seine Mode, ungeachtet aller schrillen Tops, Sandalen und pinkfarbenen Badehosen, die es bei ihm auch geben mag, in ihrem Kern einem deutlich erkennbaren Anliegen gewidmet ist: der verhüllten Zeiterfahrung, oder genauer: der Erfahrung aufgeschobener Zeit.

Das war bei Armani so, seit der an diesem Freitag vor achtzig Jahren in Piacenza geborene Schaufensterdekorateur Mitte der Siebziger sein eigenes Unternehmen gegründet hatte. Gewiss, er hatte bei Nino Cerruti gearbeitet, dem ersten Designer, der Männer und Frauen zugleich auf den Laufsteg schickte, er war bei Emanuel Ungaro gewesen und bei Zegna. Aber nur er geht so mit Zeit und Alter um, nur bei ihm ist es fast immer Spätsommer, Frühherbst, Oktober, und bloß manchmal grünt da etwas Frischeres: Seine Farben sind oft gedeckt, und wenn es auch bei ihm Buntes und Plötzliches gibt, so erscheint es doch gemildert und immer wieder mit Grau und Braun gemischt.

Sogar die Helligkeit selbst, das scharfe Weiß, bekommt bei ihm einen sanften, cremigen Schimmer. Und wenn er dennoch eine Vorliebe für ein tiefes Blau hegt, für ein edles, aber gefährliches Blau, so muss man sich dazu einen doppelten Kontrast vorstellen: das Weiß eines T-Shirts und gebräunte Haut. "Zeitgemäß, aber nie lächerlich oder nur modisch", nennt Giorgio Armani seine Mode. Verwirklicht hat er dieses Ideal zuallererst in seinen Sakkos und Jacken. Er hat ihnen schmale Revers verliehen, die Knöpfe nach unten gesetzt und Schultern wie Armen Raum gegeben. Ein Polo-Hemd oder ein T-Shirt ist ihnen ebenso selbstverständliche Ergänzung wie das Hemd mit Krawatte. Hinzugekommen sind Hosen mit immer weniger Bügelfalten, die um so eleganter wirken, je gerader sie fallen.

Armani hat die Helden sehr vieler amerikanischer Filme eingekleidet, von Kevin Costner in "The Untouchables" (1987) bis zu Tom Cruise in "Mission Impossible: The Ghost Protocol" (2013). Dieser Erfolg im Kino hat nicht nur etwas mit Eleganz und Lässigkeit zu tun, sondern auch mit langen Traditionen: Wenn er Vorbilder zitiert, dann stammen sie aus den Dreißiger-, manchmal aus den Fünfzigerjahren. Und Hollywood arbeitet vermutlich auch deswegen so gern mit ihm, weil seine Kleider Platz lassen für den Menschen im Kostüm. Aber so viele Filme es auch sind - einer, ganz am Anfang seiner Karriere machte ihn berühmt: Dass Richard Gere in "American Gigolo", Paul Schraders Film aus dem Jahr 1980, ausschließlich von Armani eingekleidet wurde, war auch damals nicht nur ein Bekenntnis zu Hedonismus und Stil. Dieser Aufzug hatte seinen tieferen Sinn darin, dass der Held in dieser Geschichte seinen Lebensunterhalt als Liebhaber älterer Frauen verdient - er trägt seine schmalen, feinen, melierten Sakkos auch, um zu zeigen, dass in seiner Gegenwart das Alter nicht zählt.

Körper in Bewegung

Diese Mode begleitet ihren Träger und ihre Trägerin über die Schwellen des Alters, von den frühen Dreißigern bis in die Fünfziger und weit darüber hinaus. Und noch wenn die Haut allmählich welkt, mildert ein Graugrün, ein Zimtton oder ein Beige in körnigen Mustern die Kontraste und lässt erträglich werden, was neben einem entschiedenen Rot oder Grün etwa, zu einer niederschmetternden Wahrheit geriete. So aber kann das Fleisch fortbestehen, ein wenig verhüllt, ein wenig veredelt, aber immer noch verführerisch und mit gerade so viel Vulgarität ausgestattet, dass man es gelegentlich noch zucken sieht. Als das Guggenheim Museum vor einigen Jahren Armani eine von Robert Wilson gestaltete Retrospektive widmete (sie ging dann um die halbe Welt), brillierte sie in "Greige", dem mittleren Ton zwischen Beige und Grau, der Farbe, die für diesen Designer immer noch die prägnanteste ist.

Als Armani antrat, war seine erste große Tat die Vereinfachung des Jacketts: dessen Reduktion auf ein möglichst schlicht geschnittenes, ideal fallendes, gleichsam fließendes Kleidungsstück. Diese Tat galt der Kleidung für Männer wie für Frauen, und von diesen werden viele bei ihm zum ersten Mal ein Kostüm, ein Etuikleid oder einen Hosenanzug gefunden haben, der elegant, modisch und tragbar zugleich war.

Vom Jackett aus entwickelte er seine schlichten Linien weiter bis in die billigeren und jugendlicheren "Labels" seiner Marke hinein, bis zu "Armani Jeans" und "EA7" (wo sie dann auch in schrillem Gewand auftreten dürfen), und weiter noch, bis in die Inneneinrichtung und die Blumengestecke, die auch ihren Platz in seinem Imperium haben.

Diese Entwicklung hat selbstverständlich auf der einen Seite damit zu tun, dass das Entwerfen von Kleidung längst eingegangen ist in eine ästhetische Ökonomie, die die Welt des Luxus und der Moden weit hinter sich gelassen hat und zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige überhaupt geworden ist. Es hat aber auch damit zu tun, dass es Armani mit jener (am Ende doch nicht so simplen) Vereinfachung gelang, etwas bislang Exklusives zu demokratisieren, ohne dass dieses deswegen weniger elegant und zurückhaltend wirkte.

Die erstaunliche Langlebigkeit seiner Entwürfe wie seines Unternehmens ist auf diese Vereinfachung gegründet: Der kalte Hauch der Vergänglichkeit scheint kaum in das Milieu eindringen zu können, das sich auf eine noch lang währende Fortsetzung bei gleichbleibend angenehmer Temperatur eingerichtet hat.

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Niemand verkörpert das Armani-Ideal besser als der Designer selbst: Seine Haare sind weiß, doch sein Körper ist noch immer schmal und gelenkig.

(Foto: Reuters)

Diskrete Mode

Das ist eine erstaunliche Leistung. Denn der Verzicht auf den komplizierten Aufbau der Kleidung, die Reduktion auf wenige, klare Linien hat auch zur Folge, dass der Körper deutlicher hervortritt. Das mag in den Kollektionen für ein jugendlicheres Publikum oft kein Problem sein, bei den klassischen Linien ist es mit Sicherheit eines. Armani aber schafft diese Hinwendung, in vielen seiner Entwürfe, ohne zu entblößen. Seine Mode bleibt diskret.

Der vor einigen Jahren gestorbene Berliner Philologe Gert Mattenklott, der nicht nur ein großer Gelehrter in literarischen Dingen, sondern auch ein großer Kenner von Mode war, hatte für dieses sonderbare Ineinander von Offenbaren und Verbergen eine Erklärung: "Körper reizen ihnen nicht wie Statuen, sondern in ihrer Bewegung", schrieb er. "Armanis Garderobe gibt ihnen die Form, in der sie sich zwanglos entfalten können. Dafür empfehlen sich weiche, dünne Stoffe, deren Material allerdings so hochwertig sein muss, dass es Falten annehmen und altern kann, ohne zu welken." Das Bild des Designers selbst ist bis auf den heutigen Tag von diesem Ideal geprägt: Lange schon ist er weißhaarig, doch braun gebrannt. Sein Schädel gleicht einer lächelnden Büste, aber sein Körper ist noch schmal, muskulös und gelenkig, und seine Bewegungen scheinen noch immer jung zu sein.

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