Gioachino Rossini zum 220. Geburtstag:Aus dem Leben eines Beinahe-Kastraten

Ob "Der Barbier von Sevilla", "Wilhelm Tell" oder "Stabat Mater" - der italienische Komponist Gioachino Rossini hat der Nachwelt 39 Opern und viel Humor hinterlassen. Dabei war sein Leben, das in einem Schaltjahr begonnen hat, nicht nur von Erfolg geprägt.

Ruth Schneeberger

Stellvertretend für alle jene Zeitgenossen, die an diesem 29. Februar, also in einem Schaltjahr, nur alle vier Jahre Geburtstag feiern können, wird der italienische Komponist Gioachino Rossini an diesem Mittwoch von Google zu seinem 220. Jahrestag geehrt.

Gioachino Rossini: ein Google Doodle zum 220. Geburtstag

Dem Komponisten Gioachino oder auch Gioacchino Rossini schenkt Google zum 220. Geburtstag ein Doodle, das gleichzeitig an das Schaltjahr erinnern soll.

(Foto: Screenshot: Google)

Warum Frösche?

Schaltjahr und Komponisten-Geburtstag in einem, das ist dem Internetkonzern ein Google Doodle der besonderen Art wert: Erstens ziert die Startseite der Homepage eine Grafik, die Frösche beim Arienträllern zeigt, zweitens erklärt ein Video den Zusammenhang zwischen dem Frosch-Logo, dem Komponistengeburtstag und früheren Frosch-Logos aus Anlass eines Schaltjahres: Im Englischen heißt das Schaltjahr "leap year" (von "to leap" = hüpfen, überspringen) - und den Grafikern des Weltkonzerns erschien wohl der Frosch am geeignetsten, um das zu illustrieren. Ob sie damit in diesem Zusammenhang auch an den manchmal leicht froschigen Gesang von Opernsängern anknüpfen wollen, bleibt ihr Geheimnis.

Kein Geheimnis ist hingegen, dass der Italiener Gioachino Rossini (29. Februar 1792 - 13. November 1868) zu Lebzeiten insgesamt 39 Opern komponiert hat, darunter "Der Barbier von Sevilla", "La Cenerentola" (Aschenputtel), "Moses in Ägypten" und "Wilhelm Tell", dazu geistliche Musik wie "Stabat Mater", Hymnen, Chöre und Kantaten.

Komische Oper

Während Rossini heutzutage als einer der bedeutendsten Komponisten des "Belcanto" gilt, einer ausgefeilten Gesangstechnik, die Kastraten zum Idealtypen des Sängers erhob, und während seine Stücke zum Standardrepertoire der Opernhäuser auf der ganzen Welt gelten, war dem kleinen Gioachino (eigentlich: Giovacchino, er selbst verzichtete aber auf das "v" und das eigentlich korrekte zweite "c" in seinem Vornamen und wird in der Musikwissenschaft auch fast durchgehend so bezeichnet) dieser Erfolg als Komponist nicht unbedingt in die Wiege gelegt.

1792 als einziger Sohn eines Hornisten und einer Sängerin in Italien geboren, erlernte er schon früh das Spielen von Violine und Cembalo und entwickelte eine gute Gesangsstimme. Wäre es nach seinem Oheim gegangen, wäre er schon in jungen Jahren kastriert worden, um seine schöne hohe Stimme zu erhalten und Sänger zu werden. Doch Rossinis Mutter soll sich vehement dafür eingesetzt haben, dass der Junge nicht zum Kastraten gemacht wurde, sondern nach einigen Auftritten als Sänger stattdessen das Lyzeum in Bologna besuchen durfte, wo er neben Klavier und Gesang auch Unterricht in Komposition erhielt. Rossini soll seiner Mutter später dafür sehr dankbar gewesen sein, wie es heißt.

Musik, Humor und Depressionen

1810 verließ Rossini das Lyzeum ohne Abschluss, um zwei Jahre später mit seiner ersten selbst komponierten Oper ("La cambiale di matrimonio") die Öffentlichkeit zu beglücken. Seine ersten Opern und Uraufführungen waren keine großen Erfolge. Selbst der heute so berühmte "Barbier von Sevilla" musste erst mehrfach aufgeführt werden, um die damaligen Zeitgenossen einigermaßen zu begeistern. Derweil leitete Rossini im Laufe seines Lebens mehrere Opernhäuser, unter anderem in Neapel, London und Paris.

Gioachino Rossini: Google Doodle zum 220. Geburtstag

Gioachino Rossinis Oper "Die Italienerin in Algier" an der Metropolitan Opera in New York: Ferruccio Furlanetto spielt den Mustafa.

(Foto: AP)

Seine letzte Oper schrieb der inzwischen 37-Jährige im Jahre 1829: "Wilhelm Tell". Insgesamt hatte Rossini bis dahin 39 Opern komponiert und sich inzwischen einen Ruf als Meister der komischen Oper erworben. Im Jahr darauf verlor er seine Ämter als königlicher Hofkomponist und Generalinspekteur des Gesangs in Frankreich, weil der französische König im Verlaufe der Julirevolution abdanken musste. Rossini gelang es jedoch, eine lebenslange Rente durchzusetzen.

Das Problem des Genies

Von nun an widmete er sich vor allem der geistlichen und der Kammermusik. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau, einer italienischen Opernsängerin, heiratete Rossini seine zweite Frau, eine Französin. Mit ihr lebte er nach einer Flucht aus Bologna wegen politischer Unruhen bis zu seinem Tode 1868 in Paris-Passy.

Obwohl Rossini auch ernsthafte Stücke komponierte, sind vor allem seine "komischen" Opern der Nachwelt in Erinnerung geblieben, insgesamt sind seine Kompositionen berühmt für ihren Witz. Auch seine "Alterssünden", eine Sammlung kleinerer Kompositionen, zeugen von seiner humoristischen Herangehensweise an die Musik: Sie heißen "gefolterter Walzer", "asthmatische Etüde" oder "Fehlgeburt einer Polka-Mazurka". Dabei war vor allem Rossinis zweite Lebenshälfte, wie bei vielen Genies, von schweren Depressionen geprägt.

Es wurde darüber spekuliert, ob sich Rossini diese Depressionen womöglich durch eine Tripper-Infektion eingehandelt habe, die er sich schon in jungen Jahren zugezogen hatte. Gestorben ist er schließlich im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Darmoperation.

Um den Verlust für die italienische Oper und die europäische Musik durch Rossinis Tod im Jahr 1868 auszudrücken, lud Giuseppe Verdi damals die zwölf bedeutendsten italienischen Komponisten seiner Zeit ein, eine Totenmesse für Rossini zu komponieren, die eigentlich an Rossinis ersten Todestag hätte aufgeführt werden sollen. Die "Messa per Rossini" wurde 1869 auch pünktlich fertig - zur Aufführung kam sie allerdings dann doch nicht, wegen, wie es heißt, "widriger Umstände". Und geriet daraufhin erst einmal in Vergessenheit. Erst 130 Jahre nach seinem Tod, nämlich im Jahre 1988, kam die Ehrenmesse für Rossini zur Uraufführung.

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