Gilbert: Das Ja-Wort:Nach Sex und Schuh

In "Eat, Pray, Love" feierte Elizabeth Gilbert Yoga als den Sex der alternden Frau und lies ihre Hauptfigur Liz mit den Erwartungen der Gesellschaft brechen. In ihrem neuen Buch darf Liz nun doch heiraten.

Verena Mayer

Irgendwann wollen Frauen nicht mehr Sex und Schuhe, irgendwann wollen sie Erleuchtung. Jedenfalls in der Frauenliteratur. Da begegnen wir nun nicht mehr nur der Sex-and-the-City-Frau, die sich nimmt, was sie braucht, ob das Männer sind oder Manolo-Blahnik-Schuhe. Oder den Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, die mit ihrem Gewicht kämpfen. Die neue Heldin von Frauenbüchern ist die Enddreißigerin auf Sinnsuche.

Themendienst Kino: Eat, Pray, Love

Westler auf Sinnsuche begibt sich in die Ferne: Julia Roberts und Javier Bardem in der Verfilmung von Elizabeth Gilberts "Eat, Pray, Love".

(Foto: dapd)

Ikone dieser neuen Chick Lit ist die amerikanische Journalistin Elizabeth Gilbert. 2006 hat sie ihr Haus in New York samt Ehemann links liegen lassen, da war sie 34 und depressiv. Sie ging auf Weltreise, erst nach Italien, dann nach Indien und Indonesien. Daraus wurden das mittellustige Frauenbuch "Eat, Pray, Love", das sich neun Millionen Mal verkaufte, und ein leider völlig unlustiger Frauenfilm mit Julia Roberts, der gerade im Kino läuft. "Eat, Pray, Love", kurz EPL, ist so etwas wie eine weibliche Version von "Der Strand": Westler auf Sinnsuche begibt sich in die Ferne. Nur dass hier nicht ein Rucksackreisender vor dem Massentourismus flüchtet, sondern eine Frau vor den Erwartungen der Gesellschaft.

Essend, betend und liebend rechnet Gilbert mit dem Ideal ab, alles unter einen Hut bringen zu müssen und dabei auch noch super auszusehen. Dem Schönheitswahn setzt ihr Alter Ego Liz entspanntes Laisser-faire in Leinenhosen entgegen. In Italien stopft sie Eis und Pizza in sich hinein, in Indien schlägt sie ihre Zeit in Klöstern tot. Und es wird ständig Yoga gemacht. Allein und in der Gruppe, auf der Matte und in Jeans. Yoga ist der Sex des weiblichen Alters. Diverse Männerbekanntschaften gibt es als Draufgabe, wobei Elizabeth Gilbert ebenfalls von der klassischen Frauenliteratur abweicht: Ihr Buch endet mit dem Schwur, nie (mehr) zu heiraten.

Das neue Buch von Elizabeth Gilbert heißt nun "Das Ja-Wort" und handelt davon, "wie ich den Frieden mit der Ehe machte". Wieder treffen wir die Journalistin Liz. Inzwischen hat sie einen Neuen, den brasilianischen Diamantenhändler Felipe, den sie auf Bali kennenlernte. Die beiden tingeln durch die Weltgeschichte, irgendwann beschließen sie, sich in einem Häuschen in Philadelphia niederzulassen. Doch die US-Einwanderungsbehörde macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Der Brasilianer darf nicht ins Land, es sei denn, er heiratet die US-Bürgerin Liz, was er am Ende auch tut.

Ehe, ein Akt der Widerstands?

Bis dahin vergeht allerdings ein Jahr mühsamen Papierkriegs. Liz nützt es, um Wissenswertes über die Institution Ehe zusammenzutragen und einen nicht uninteressanten Streifzug durch die Kulturgeschichte des Heiratens zu unternehmen. Sie trifft vietnamesische Hmong, die ihre Ehen arrangieren und danach Hühner schlachten, um böse Geister zu vertreiben. Sie linst in einem thailändischen Internet-Café einem buddhistischen Mönch über die Schulter, der einer Amerikanerin erotische E-Mails schreibt. Buddha selbst bezeichnete Verheiratete übrigens als "Haushälter" und gab ihnen klare Anweisungen: Sie sollten ehrlich und treu zu einander sein und sich gegen Wasser- und Feuerschäden versichern.

Aristophanes kommt bei Gilbert ebenso zu Wort wie Marge Simpson, es geht von Südindien, wo eine Braut von mehreren Brüdern geteilt werden konnte, ins China des 19. Jahrhunderts, wo viele Chinesinnen im Seidenhandel arbeiteten. Die nahmen sich gerne einen Geist zum Mann, der sie nicht am Leben und Arbeiten hinderte. Das ist für Gilbert auch eine der wichtigsten Erkenntnisse der Recherche: dass von der Ehe viele profitieren, Staat, Männer, Kinder. Nur die Frauen nicht, die sich angeblich am meisten nach ihr sehnen.

In bester amerikanischer Tradition biographischen Schreibens flicht Gilbert ihre eigene Geschichte in das "Ja-Wort" ein. Sie lässt uns an den großen Momenten des Lebens (Yoga!) und an den kleinen Widrigkeiten (ihr Zukünftiger hasst Yoga) teilhaben. Auch ihre Familie kommt nicht zu kurz. Oma Maude etwa war eine für das Amerika ihrer Tage äußerst patente Frau, die, weil sie keinen Mann fand, zur Schule gehen und arbeiten durfte und so gut verdiente, dass sie sich einen Mantel mit Pelzkragen kaufen konnte. Dann heiratete sie irgendwann doch und musste ihre Karriere aufgeben. Den heißgeliebten Mantel zerschnitt sie, um ihren Kindern warme Kleidung zu nähen. Diese Geschichte, so Gilbert, habe ihre "Einstellung zur Ehe für immer geprägt".

Das hindert sie jedoch nicht daran, einen merkwürdigen Bogen zu schlagen. So beschreibt Gilbert die vielen obrigkeitlichen Bemühungen, im Laufe der Geschichte die Institution Ehe zu sanktionieren. Die Kirche regelte die Sexualität, die Kommunisten versuchten, die Ehe zu unterminieren, indem sie den Staat darüber stellten. All das lässt für Gilbert nur einen Schluss zu: dass die Ehe eigentlich ein Akt des Widerstandes ist. Dass es nicht nur okay ist zu heiraten, sondern fast schon eine Pflicht. Und so steht am Ende dann doch wieder die alte Erkenntnis des Chick Lit-Genres: Eine Frau ist am glücklichsten, wenn sie vor den Traualtar kommt.

ELIZABETH GILBERT: Das Ja-Wort. Wie ich meinen Frieden mit der Ehe machte. Aus dem Englischen von Maria Mill. Berlin Verlag, Berlin 2010. 350 Seiten, 22 Euro.

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