Gespräch mit dem "Krabat"-Regisseur:Apocalypse Now in Rumänien

Verheerende Zeit- und Budgetüberschreitungen: Der Fantasyfilm "Krabat" war ein großes Produktionsdrama. Regisseur Marco Kreuzpaintner spricht über das Ende seiner Nerven.

Tobia Kniebe

Am Anfang war ein Jahr Arbeit veranschlagt, ein Budget von acht Millionen Euro und 65 Drehtage. Am Ende zog sich alles über zweieinhalb Jahre hin, die Kosten stiegen auf 10,5 Millionen, zusätzliche Geldgeber mussten einspringen und die letzte Klappe fiel erst am 81.Drehtag. Die Komplexität des Films, der zahlreiche Computereffekte enthalten würde, war von allen Beteiligten unterschätzt worden, dann blieb beim herbstlichen Außendreh in der Wildnis Rumäniens auch noch der Schnee weg: "Krabat" darf als eines der großen Produktionsdramen des deutschen Films gelten, mit reichlich Haareraufen für die Münchner Produzenten Claussen, Wöbke & Putz und den jungenhaften Regisseur Marco Kreuzpaintner, 31. Der wirkt beim Interview direkt nach der Fertigstellung auch noch schwer angeschlagen.

Gespräch mit dem "Krabat"-Regisseur: Wirkte nach der Produktion von "Krabat" immer noch angeschlagen: Regisseur Marco Kreuzpaintner, 31.

Wirkte nach der Produktion von "Krabat" immer noch angeschlagen: Regisseur Marco Kreuzpaintner, 31.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Die wichtigste Frage gleich vorweg: Wie fühlen Sie sich?

Marco Kreuzpaintner: Gerade weiß ich nicht recht, wohin ich gehöre. Der Film hat so viel Blut gekostet, in jeder Hinsicht, dass ich zeitweise wirklich verzweifelt bin. Da stehst du zum Beispiel mit einem brillanten Schauspieler wie Daniel Brühl in einem komplett grünen Raum, beim Dreh für die späteren Spezialeffekte. Du dirigierst ihn aber nur von einer Ecke in die andere, alles sieht vollkommen lächerlich und nicht im geringsten magisch aus, und du denkst dir: Was zum Teufel mache ich eigentlich hier?

SZ: Und?

Kreuzpaintner: Ich wollte ein berühmtes Jugendbuch verfilmen, das mich schon als Kind fasziniert hat, einen deutschen Fantasy-Film drehen mit internationalem Anspruch ... Aber zwischendurch dachte ich sehr ernsthaft: Das schaffst du nie. Jeden Tag blieben wir weiter hinter dem Drehplan zurück, irgendwann lagen in Rumänien die Nerven so blank, dass der Produzent Thomas Wöbke gar nicht mehr an den Set kam und zwischendurch sogar abgereist ist. Da herrschte Apocalypse-Now-Stimmung. Erschwerend kam dazu, dass ich gerade von meiner Hollywood-Produktion "Trade" zurück kam und an den amerikanischen Stil gewöhnt war, wo einem Regisseur wirklich alles entscheidungsfertig vor die Nase gestellt wird. Es dauerte, bis ich wieder akzeptiert hatte, dass es hier eben anders läuft, und ich muss selbstkritisch sagen: Ich war eine Bitch.

SZ: Die Vorstellung, dass "Krabat" mit den teuersten Fantasy-Produktionen Hollywoods konkurriert, dürfte zusätzlichen Schlaf gekostet haben...

Kreuzpaintner: Klar, und man fragt sich, ob man da mithalten kann, mit ein paar ollen Raben, die sich in Menschen verwandeln. Dass alle die Harry-Potter-Frage stellen, ist unvermeidlich, war mir aber erst einmal egal. Den Roman "Krabat" gibt es ja doch schon viel länger als Harry Potter. Ich wollte eine Konzentration auf die Geschichte, auf das, was wir in Deutschland auch hinkriegen. Große Zauberschlachten zum Beispiel können wir nicht bieten, wir zeigen ja schon das Maximum dessen, was hier möglich ist. 400 Effekteinstellungen in der Kürze der Zeit zu realisieren, da braucht man sehr viel Geld, und größere Budgets kriegt man für die deutsche Sprache eben nicht zusammen. Wir hatten auch internationale Investoren aus London, die ich mühsam davon überzeugen musste, dass wir auf deutsch drehen. Aber anders hätte ich es mir einfach nicht vorstellen können, und das haben sie dann akzeptiert.

SZ: Gab es denn auch ein paar rare Glücksmomente?

Kreuzpaintner: Ganz am Schluss des Schnitts, als alle Elemente zusammenkamen - die Musik, eingespielt von den Münchner Philharmonikern, das Sounddesign, die fertigen Computereffekte. Da spürte ich dann schon etwas von der Magie, von der ich so lange geträumt hatte, und habe mich zum ersten Mal selbst als Zauberer gefühlt. Und lustigerweise war ein zentraler Gedanke, ob der Film wohl Bernd Eichinger gefallen würde. Als Jugendlicher war er für mich immer die einzige Referenz für ein deutsches Kino, das auch phantastische Welten erobert und sich nicht nur dem Realismus verpflichtet fühlt. Das hat mich sehr geprägt.

SZ: Gibt es bei einer so dramatischen Produktion auch bleibende zwischenmenschliche Verletzungen?

Kreuzpaintner: Gottseidank nein, denke ich. Obwohl es lange so aussah. Eine Weile war zwischen mir und den Produzenten wirklich Sendepause. Und das ist auch verständlich, weil so eine Überziehung gerade für eine mittelgroße Filmfirma sehr schwer zu tragen ist. Aber wir haben dann noch rechtzeitig zusammen die Kurve gekratzt, ungefähr in der Mitte des Schnitts. Inzwischen denke ich, dass Filme, die ganz leicht von der Hand gehen, vielleicht von Anfang an zu gefällig angelegt sind. Spannend wird die Sache doch, wenn man vor eigentlich fast unlösbaren Aufgaben steht. Jedenfalls kann ich sagen, dass ich nach diesem Film einen gewissen Stoizismus entwickelt habe, mit dem man eindeutig aufrechter durchs Leben geht.

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