Gesellschaft:Kind aus Afrika, Obst aus Neuseeland

George Clooney, Leonardo DiCaprio, Julia Roberts - sie alle sind Lohas. Die Lohas sind ein neuer Menschenschlag, sie essen, kaufen, leben verantwortungsvoll. Bewahren sie so die Welt vor dem Untergang? Wohl eher sich selbst.

Georg Etscheit

Früher fuhren sie standesgemäß im Porsche bei den einschlägigen Hollywood-Events vor, im schnittigen Daimler oder im schweren Geländewagen mit dunkel getönten Scheiben: Stars wie Harrison Ford, Charlize Theron, Leonardo DiCaprio oder Sting. Doch die Zeiten, in denen man mit sündteuren Spritfressern Eindruck schinden konnte, scheinen zu Ende zu gehen, selbst in den USA.

Prius_ AP

Ein Toyota Prius, das Traumauto der Lohas

(Foto: Foto: AP)

Heute entsteigen die Leinwandhelden und Showgrößen einem eher unscheinbareren Gefährt, einem Toyota Prius. Der ist im Vergleich zu den Luxuskarossen ein schlichtes Blechle, fast eine Familienkutsche, Listenpreis 24.000 Euro und damit so gut wie geschenkt.

Doch der Prius hat es auf andere Art und Weise in sich. Er besitzt einen Hybridantrieb, fährt wechselweise mit Elektro- oder herkömmlichem Benzinmotor, schluckt konkurrenzlose vier Liter Benzin und spuckt pro Jahr, das sagt der Hersteller, eine Tonne weniger des Klimakillers Kohlendioxid aus als ein herkömmliches Fahrzeug.

Stars auf dem Ökotrip

Auch George Clooney ist seit einiger Zeit schon auf dem Ökotrip und posiert auf Fotos neben einem etwas unförmigen Elektromobil. Julia Roberts trägt öffentlichkeitswirksam Tüten des US-Bio-Händlers Wild Oats spazieren und selbst Kaliforniens Terminatorgouverneur Arnold Schwarzenegger, der reihenweise radikale Klimaschutzgesetze unterzeichnet, hat kürzlich aus Gründen der Glaubwürdigkeit öffentlich bekannt, er habe lange keine Gelegenheit mehr gehabt, seine Monster-Geländewagen vom Typ Hummer zu fahren.

"In der Garage dürften sie die Luft oder das Meer nicht wirklich verschmutzen." Nachdem er den Klimaschutz medienwirksam zu seiner Sache gemacht hat, sich gegen die Position der US-Regierung gestellt und vor einem Monat sogar unter Beifall der Öffentlichkeit sechs große Automobilhersteller wegen Umweltverschmutzung verklagt hat, scheint seine Wiederwahl in Kalifornien am 7. November 2006 wie ausgemacht.

Ford, DiCaprio, Robert, Clooney und vielleicht sogar "Arni" sind bekennende Lohas. Sie verkörpern eine neue Klasse von Konsumenten in den westlichen Industrienationen.

Spaß am Konsum und trotzdem ein gutes Gewissen

Das Akronym Lohas steht für "Lifestyle of Health and Sustainability" und markiert einen postmodernen Lebensstil, der sich an Gesundheit und Nachhaltigkeit orientieren soll. Übertragen auf ihre Anhänger heißt das: Lohas legen Wert auf ein angenehmes, gesundes Leben im Einklang mit Umwelt, Natur und sozialen Standards. Sie haben Spaß am Konsum, wollen dabei aber ein gutes Gewissen haben.

Die "Kulturell-Kreativen", wie sie die Soziologen auch bezeichnen, haben wenig zu tun mit den "Müslis" alten Schlages, den bärtigen, birkenstockbeschuhten Aussteigern und Weltverbesserern. Sie würden nie in ein schwankendes Schlauchboot steigen, um einen Walfänger zu entern.

Sie sind höchstens Fördermitglieder bei Greenpeace. Sie engagieren sich selten in einer Partei, nicht mal bei den Grünen, sondern für die "Arche des Geschmacks" bei Slowfood und bauen in ihrem Garten "Bamberger Hörnchen" an, eine alte Kartoffelsorte.

Kind aus Afrika, Obst aus Neuseeland

Der erhobene Zeigefinger, Verzicht und Entsagung kämen bei Lohas ganz schlecht an, sagt Peter Parwan, der in Deutschland ein Loha-Internetportal betreibt. Ein "Zurück zu den Wurzeln" gebe es nicht. Lohas nähmen die Welt so, wie sie ist und versuchten, auf pragmatische Weise das Beste aus ihr machen. Lohas, sagt Parwan, denken positiv: "Wer die Flinte ins Korn wirft, hat schon verloren."

Schwarzenegger, Hummer

Die Zeiten sind vorbei: Arnold Schwarzenegger im Hummer

(Foto: Foto: AP)

In den USA sollen schon 30 Prozent aller Erwachsenen zu den Lohas gehören. Es gibt ein ganzes Netzwerk, eigene Internetseiten, eine Zeitschrift und Lohas-Kongresse. Und natürlich viele schöne Dinge, die Anhänger kaufen sollen, denn sie sind ein riesiger und immer größer werdenden Markt. In den USA werden heute schon mit nachhaltigen und sozial gerecht erzeugten Konsumgütern, so ist auf der US-Webseite der Lohas-Community zu lesen, angeblich 230 Milliarden Dollar jährlich umgesetzt. Und immer mehr Unternehmen reagieren und schärfen ihr Profil in Sachen Nachhaltigkeit.

München ist die heimliche Loha-Hauptstadt

Natürlich gibt es die Bewegung auch längst in Deutschland. Werner Schulz, Professor für Umweltmarketing an der Uni Hohenheim, schätzt ihren Bestand hierzulande sogar auf mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung. Vor allem in den Großstädten trifft man sie rudelweise, die konsumgeneigten Nachhaltigkeitsapostel. In Deutschland ist München ihre heimliche Hauptstadt und der Biosupermarkt ihr Laufsteg.

Nicht etwa der kleine Öko-Krämer um die Ecke, der noch Mutter Erde heißt oder Schrot und Korn, sondern schicke Biokonsumtempel wie Basic in München oder Bio Company in Berlin.

Da mäandern die eiligen Jungmanager, Laptop in der einen, Einkaufskorb in der anderen Hand, lässig durch die Regalzeilen aus poliertem Metall, grabbeln nach Bio-Pizza, Bio-Balsamico und Bio-Äpfeln aus Neuseeland. Junge Familien, wohlhabende Singles, dynamische Rentner tingeln durch die durchgestylten Öko-Outlets. Und sehr selbstbewusste Loha-Mütter bugsieren nach dem ökologisch korrekten Einkauf ihre geländegängigen Kinderwagen zur Kasse, zücken die Kreditkarte und packen alles in die ökologisch korrekte braune Papiertüte.

Promenadenmischung als Familienhund

Kinder sind wichtig für Lohas. Drei sollten es schon sein, davon idealerweise ein Adoptivkind aus einem Entwicklungsland oder Bürgerkriegsgebiet. Weil man zwar gerne eigenen Nachwuchs haben möchte, aber sich zugleich um Überbevölkerung und Dritte-Welt-Elend sorgt.

Auch der Familienhund gehört dazu. Aber bitte keinen Golden Retriever oder Jack-Russell-Terrier! Lohas bevorzugen statt Rassehunden lustige Promenadenmischungen aus dem Tierheim oder bösen Ländern wie Griechenland oder Rumänien, in denen Hundefänger ihr Unwesen treiben. Auch das ist gut fürs gute Gewissen.

Lohas sind bestens informiert, lesen viele Bücher und schauen sich, wenn überhaupt, nur die öffentlich-rechtlichen Programme an, vor allem Arte und 3sat. Sie haben natürlich "We Feed The World" im Kino gesehen und wissen, dass es eigentlich nicht besonders umweltfreundlich ist, Bio-Äpfel aus Neuseeland zu importieren. Aber sie meinen, dass es ja nicht schlecht sein kann, auch in anderen Ländern den Ökolandbau zu fördern. Schließlich leben wir ja in Zeiten der Globalisierung.

Lohas haben nichts gegen die Globalisierung. Sie widmen sich eben ihren guten Seiten und freuen sich, dass es jetzt mehr denn je schöne und wohlschmeckende Dinge gibt, die aus aller Herren und Frauen Länder kommen - zu allen Jahreszeiten. Und das garantiert in kerngesunder, pestizid-, gentechnik- und sonst was freier Öko-Qualität.

Pozellanlichtschalter und Edeltoaster

Woran erkennt man einen Loha, wenn man zu ihm nach Hause kommt? Wahrscheinlich wird irgendwo ein dicht betexteter Manufactum-Katalog herumliegen. Oder man entdeckt gleich einige der "guten Dinge" daraus.

Etwa statt des billigen Plastikteils einen Porzellanlichtschalter an der Wand oder einen sehr, sehr klobigen, aber sehr stabilen und mutmaßlich sehr teuren Toaströster, beheizt mit echtem Glimmerstein. Und der Aceto Balsamico ist nicht mit braunem Karamelzucker auf alt getrimmt, sondern mindestens 30 Jahre lang in 30 Fässchen aus unterschiedlichen Hölzern gereift.

Lohas kochen gerne, aber sie haben auch nichts gegen Fertiggerichte einzuwenden, wenn sie denn Öko sind. Denn sie haben wenig Zeit. Sie müssen ja ziemlich viel Geld verdienen, um sich die all guten Dinge leisten zu können.

Niemals zum Discounter

Und zum Billigheimer, der neuerdings auch auf dem Biotrip ist, gehen Lohas nicht. Weil der seine Mitarbeiter so schlecht behandelt. Und weil Bio im großen Stil für den Massenmarkt die hohen Ökostandards beeinträchtigen könnte. Das haben sie im Greenpeace-Magazin gelesen.

Lohas gehen auch nicht zum Elektrogroßmarkt oder zum Baumarkt am Stadtrand, wenn sie sich einen neuen Fernseher oder eine Stichsäge kaufen wollen. Sondern, ganz altmodisch ins Fachgeschäft, zu Werkzeug Müller oder TV-Schulze.

Kind aus Afrika, Obst aus Neuseeland

Bio Company_dpa

Eine Besucherin in einer Berliner Filiale von "Bio Company" - womöglich ist sie auch ein Loha

(Foto: Foto: dpa)

Sie lehnen es ab, die großen Handelskonzerne zu unterstützen und fühlen sich wohl dabei, wenn sie regionale Wirtschaftskreisläufe am Leben erhalten können. Deshalb fahren sie am Wochenende mit ihrem Prius 200 Kilometer zu einem kleinen Hofmarkt auf dem Lande, um Kartoffeln, nicht homogenisierte Milch und das gute Brot aus dreistufigem Sauerteig zu erstehen.

Überhaupt: Lohas reisen gerne. Selbstverständlich nicht pauschal oder Last Minute. Denn sie wollen "Land und Leute" kennenlernen. Sie machen schon mal ein halbjähriges "Sabbatical" in Australien oder touren als "Ökotouristen" durch Naturreservate in Nicaragua.

Lohas fliegen gerne und zahlen dafür eine Spende an die atmosfair GmbH. Die errechnet, wie der jeweilige Flug im Sinne des Klimaschutzes pekuniär kompensiert werden kann und reichen den freiwilligen Obolus an Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte weiter.

Sehr gerne machen Lohas auch Weinreisen, steigen in die Keller von Winzern hinab, um über die Vor- und Nachteile vom "Ausbau im neuen Holz" zu fachsimpeln. Aber der Barrique-Ton sollte nicht zu aufdringlich sein. Denn Wein ist für Lohas der Inbegriff von naturreiner Nachhaltigkeit. Im Winter zieht es Lohas nicht in die übervölkerten Skischaukeln, sondern zum Schneeschuhwandern. Dabei versuchen sie, möglichst keinen winterschlafenden Auerhahn aufzuwecken.

Lohas glauben gerne daran, dass sich durch die Macht des Verbrauchers die ausgeflippte Konsumwelt zum Bessern wandelt. Dass der Kapitalismus ökologisch gezähmt werden kann. Sie unterliegen der Vorstellung, dass der Gegensatz zwischen freier Marktwirtschaft und Ökologie nicht existiert und meinen damit in etwa das Gleiche wie die etablierten Grünen im Nadelstreifen, die schon fast so reden wie die FDP.

Lohas möchten sich keinesfalls den Spaß verderben lassen am guten Leben und am guten Gewissen. "Eigentlich ist das brutaler Egoismus", sagt Professor Schulz. Ob nachhaltiger Konsum die Menschheit vor dem Untergang bewahrt, interessiert Lohas nur am Rande. "Aber sie wissen", da ist Schulz sich sicher, "dass es ein Eigentor sein kann, wenn man der Umwelt zu viel Schaden zufügt".

Zur Not gibt es ja dann immer noch die Lovos. Sie pflegen den "Lifestyle of Voluntary Simplicity" und sind das schlechte Gewissen der Lohas. Aber berühmter als diese werden sie wohl nicht, denn mit ihnen ist kein Staat zu machen. Sie kaufen einfach nicht gerne ein.

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