Gesellschaft für deutsche Sprache:"Postfaktisch" ist Wort des Jahres

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"Postfaktisch" ist Wort des Jahres 2016 (Foto: dpa)
  • Die Gesellschaft für deutsche Sprache benennt "postfaktisch" als "Wort des Jahres".
  • Das Wort stehe für einen tiefgreifenden politischen Wandel, heißt es in der Begründung.
  • Auf den Plätzen zwei und drei folgen "Brexit" und "Silvesternacht".

"Postfaktisch" ist das Wort des Jahres. Das gab die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden bekannt. In politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten, heißt es in der Begründung. Insofern stehe das Wort für einen tiefgreifenden politischen Wandel. Immer größere Bevölkerungsschichten seien aus Widerwillen gegen "die da oben" bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen zu akzeptieren. Die Entscheidung der Jury sei einstimmig ausgefallen, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft, Professor Peter Schlobinski.

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:Wort des Jahres: Warum es nicht beim "Postfaktischen" bleiben darf

Der Begriff "postfaktisch" fasst eine gesellschaftliche Veränderung, die vielen Angst macht, in ein Wort. Und sollte uns zum Handeln bewegen.

Kommentar von Carolin Gasteiger

"Postfaktisch" hatte es vor kurzem in der englischen Übersetzung "post-truth" schon zum "International Word of the Year" 2016 gebracht, gekürt von den Oxford Dictionaries.

Auf Platz zwei der Liste der Gesellschaft landete das Kunstwort "Brexit", mit dem der geplante Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union bezeichnet wird. Das vorangegangene Referendum sei zugleich ein "Triumph postfaktischer Politik" gewesen, denn die Befürworter seien mit zum Teil gezielten Fehlinformationen vorgegangen. Auf Platz drei wählten die Experten den Begriff "Silvesternacht", mit dem nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen vor allem in Köln nun neue, unerfreuliche Assoziationen verbunden seien.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache kürt seit 1971 jährlich einen Begriff, der das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben besonders geprägt und die öffentliche Diskussion dominiert hat. Eine Jury, bestehend aus dem Hauptvorstand der Gesellschaft und ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern, erstellt kurz vor Jahresende eine Rangliste mit zehn Wörtern, an deren Spitze das Wort des Jahres steht. Mehr als tausend Vorschläge sammelt die Gesellschaft für deutsche Sprache Jahr für Jahr - aus Medienberichten oder privaten Einsendungen.

Bei der Entscheidung geht es letztendlich darum, "den sprachlichen Nerv des Jahres zu treffen", wie die Gesellschaft sagt. In den vergangenen Jahren wurden "Flüchtlinge", "GroKo", "Rettungsroutine", "Stresstest" oder "Wutbürger" zu den Wörtern des Jahres gewählt.

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