Süddeutsche Zeitung

Geschichte des technischen Fortschritts:Klinker, Eiche, Sichtbeton

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Max Dudler hat ein neues Eingangsgebäude für das Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen entworfen. Der Turm, ursprünglich mit Aussichtsplattform geplant, dient nun allein als Wahrzeichen.

Von Alexander Menden

Als 2007 der viktorianische Londoner Kopfbahnhof St Pancras renoviert wurde, achtete die englische Denkmalschutzbehörde bei der Wiederherstellung des Mauerwerks peinlich genau auf den Einsatz korrekt replizierter Ziegel. Zur Herstellung der historisch einwandfreien Backsteine reaktivierte man eigens eine längst stillgelegte Ziegelei in Nottingham.

So weit musste man in Bochum nicht gehen, als es darum ging, die geeigneten Ziegel für das neue Eingangsgebäude des Eisenbahnmuseums im Stadtteil Dahlhausen herzustellen. Die Wasserstrich-Ziegel für den Klinkerbau des Architekturbüros Max Dudler wurden einfach im nahen Münsterland gefertigt, in der Fabrik, die auch das Pflaster für die Plaza der Hamburger Elbphilharmonie lieferte. Historisch einwandfrei sind sie trotzdem.

Nun erhebt sich ein sechzehn Meter hoher Turm mit rechteckigem Grundriss auf dem ebenfalls neu errichteten Bahnsteig vor dem Museum. Mit ihrer porösen, durch die Kohlebrandherstellung farblich leicht variierenden Optik gliedern die Ziegel des Turms und des dahinter liegenden eigentlichen Eingangsbaus sich optisch gut in das Ensemble des ehemaligen Bahnbetriebswerks Dahlhausen ein. Von den diese Insel umgebenden Gleisen aus starten einmal im Monat ein Museumszug und ein Schienenbus zur Nostalgiefahrt durchs mittlere Ruhrtal Richtung Wengern-Ost.

Güterbahnhof und Bahnbetriebswerk wurden bereits in den Siebzigerjahren stillgelegt. Seitdem führte zunächst die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, dann eine eigene Stiftung die 46 000 Quadratmeter Fläche als Museum weiter.

Das Flachdach ist nicht begehbar, der 16 Meter hohe Turm eine reine Landmarke

Bis zum Umbau betrat man es von Norden, durch das ehemalige Verwaltungsgebäude. Der geduckte Rauputzbau, in dem eine kleine Cafeteria untergebracht ist, verströmt nostalgischen Charme. Das ist es, was die meisten Besucher hier erwarten, und was die übrigen denkmalgeschützten Gebäude, der Ringlokschuppen, die Bekohlungsanlage oder der Wasserturm sowie die mehr als 120 historischen Exponate auch bieten. Doch an Tagen mit viel Publikum stauten sich die Schlangen am Drehkreuz. Zudem waren die Toiletten nicht an die Kanalisation angeschlossen. Diese logistischen und sanitären Probleme sollte die Ausschreibung für ein neues Entree beheben. Nachdem das Gelände 2015 vom bisherigen Eigentümer, der Deutschen Bahn, auf die Stiftung übergegangen war, erfolgte die Ausschreibung für ein neues Empfangsgebäude. Es sollte den Charakter des Ortes erhalten, zugleich aber als neues Element erkennbar sein.

Der Schweizer Max Dudler setzte sich mit seinem Entwurf für einen eingeschossigen Klinkerbau gegen 18 Mitbewerber durch. Beim anschließenden Vergabeverfahren musste sein Berliner Büro dann noch einmal zittern; erst ein Nachprüfungsantrag stellte 2016 endgültig sicher, dass Dudler den Bauauftrag erhielt.

Stahlrahmenfenster geben den Blick auf Gleise und Ausstellungsstücke draußen frei

Dass das Ergebnis letztlich ein - insgesamt durchaus harmonischer - Kompromiss geworden ist, lässt sich vor allem an dem Turm ablesen. Ursprünglich sollte in seinem Inneren eine Treppe erst auf das Dach des Hauptgebäudes führen, auf dem man eine Terrasse anlegen wollte, und von dort weiter zu einem Aussichtspunkt auf dem Dach des Turms selbst. Dafür aber reichte das rund dreieinhalb Millionen Euro umfassende, vom Bund bereitgestellte Budget nicht - vor allem, weil ein zusätzlicher Aufzug für barrierefreien Zugang nötig gewesen wäre.

Nun ist das Flachdach nicht begehbar, und der Turm wurde, nach oben offen, zur reinen "Landmarke" umgewidmet. Aber auch als gleichsam skulpturales Element, eine Art Schlot, der auf die Dampfloks im Inneren verweist, hat er durchaus das Zeug, sich zum neuen Wahrzeichen des Museums zu entwickeln. Im eigentlichen, in Ost-West-Richtung verlaufenden Eingangsgebäude dahinter beherrschen Guss- und Sichtbeton die Optik. Lang gezogen, und mittels einer Rampe elegant und unauffällig den Höhenunterschied zwischen Bahnsteig- und Ausstellungslevel überbrückend, enthält der neue Raum für Wechselausstellungen als Herzstück ein einzelnes permanentes Exponat: Hier glänzt eine Dampflok der Firma Orenstein & Koppel aus dem Jahre 1918. Auf den umlaufenden Gesimsen aus Eichenholz, (was auf das Material von Bahnschwellen verweist), werden in Zukunft Ausstellungsvitrinen stehen, obwohl der Raum ohne solch kleinteilige Ergänzung womöglich am besten wirkt. Großzügige Stahlrahmenfenster geben den Blick auf Gleise und Ausstellungsstücke draußen frei. Ein kleiner, rechts abgehender Veranstaltungsraum mit flachen, plan mit der Wand abschließenden Wandschränken ergänzt das Ganze funktional.

Mit dem Turm hat das Museum in jedem Fall schon jetzt einen markanten Blickfang hinzugewonnen. Zudem ist offensichtlich, dass Dudlers Bau vom Aspekt der Besucherfreundlichkeit her eine absolut sinnvolle Ergänzung des Bochumer Museums darstellt. Von der alltäglichen Nutzung dieses ästhetisch eine eigene, in sich stimmige Linie verfolgenden Raumes wird nun abhängen, wie erfolgreich er auch atmosphärisch als Übergang in die Eisenbahnwelt funktioniert.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2020
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