Süddeutsche Zeitung

Geschichte des Comic:Golem goes Superman

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"Superman", "Batman" und "Spider-Man" als Helden und Identifikationsfiguren traumatisierter Juden: Eine Pariser Ausstellung zeigt, wie und warum der Comic-Strip von jüdischen Autoren und Zeichnern geprägt wurde.

Johannes Willms

Es gibt Ausstellungen, die dem Besucher Zusammenhänge offenbaren, die diesem bislang verborgen waren. Diese Überraschung ist Anne Hélène Hoog gelungen, die in fünfjähriger Arbeit Exponate zusammengetragen hat für die Ausstellung "De Superman au Chat du rabbin. Bande dessinée et mémoires juives", die derzeit im Pariser Musée d'art et d'histoire du judaisme gezeigt wird.

Die Ausstellung dokumentiert, in welchem Umfang der Comic-Strip, jener für die amerikanische Populärkultur so überaus spezifische Fortsetzungsroman in Bildern und Sprechblasen - noch heute jenseits des Atlantiks unverzichtbarer Bestandteil der gedruckten Presse -, insbesondere von jüdischen Autoren und Zeichnern geprägt worden ist.

Der chronologisch aufgebaute Ausstellungsparcours macht sehr schön deutlich, wie die jüdische Minderheit in den USA das bereits vorhandene Medium der populären Bildergeschichten dazu genutzt hat, zunächst das eigene Schicksal zu illustrieren, um dann, in einem zweiten Schritt, dieses Ausdrucksmittel thematisch zu modifizieren, ihm einen eigenen Stempel aufzudrücken. Diese Entwicklung steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den historischen Abläufen und den großen Verwerfungen in der politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die sich unmittelbar auf das Erlebnis jüdischen Schicksals auswirkten.

Bis in die zwanziger Jahre erzählen die Bildergeschichten, die - von Samuel Zagat oder Zuni Maud erfunden - in den beiden auflagenstarken jiddischen Tageszeitungen Die Varhayt und Der Forverts publiziert wurden, hauptsächlich vom Alltagsleben und von den vielfältigen kulturellen Reibungen der jüdischen Immigranten, die aus Mitteleuropa in die USA strömten und sich vorzugsweise an der Lower East Side, in der Bronx und in Brooklyn niederließen.

Kampf gegen das Böse

Diese thematische und publizistische Beschränkung wurde in der Zeit nach der Großen Depression Ende der zwanziger Jahre rasch überwunden, als jüdische Zeichner und Autoren mehr und mehr sich der Bildersprache der Comic-Strips bedienten, um, wie der Zeichner Will Eisner dieses Phänomen Ende der dreißiger Jahre einmal programmatisch deutete, gestützt auf das Vorbild des Golem, den Mythos eines jüdischen Supermanns zu entwickeln.

Den Anfang machten Joe Shuster und Jerry Siegel, die 1938 die Figur des "Superman" erfanden, eines Comic-Helden, der mit übermenschlichen Kräften allen Bedrohungen und Herausforderungen trotzte. So wurde er zu einer Identifikationsfigur für die von den Erinnerungen an ihre seit Jahrhunderten andauernden Verfolgungen in Europa traumatisierten Juden, die damals durch die Naziherrschaft in Deutschland neue Nahrung erhielten.

Dieser Zusammenhang erhellt, dass so gut wie alle Superhelden, die von nun an als Protagonisten der Comic-Strips figurierten, von jüdischen Zeichnern und Autoren geschaffen wurden. Deren Vorfahren stammten ausnahmslos aus Mitteleuropa: 1939 debütierten Bob Kane und Bill Finger mit "Batman", dem 1940 "Captain America" von Jack Kirby und Joe Simon folgte, um nur die wichtigsten Vertreter dieses Genres zu nennen, dessen späteste Evolution der von Stan Lee nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene "Spider-Man" darstellt.

Trauma und Erinnerung

Deshalb kann es auch nicht überraschen, dass "Superman", "Captain America" oder auch die "Fantastic Four", die selbstlos über eine gerechte Weltordnung wachen, neben anderen schurkischen Mächten auch häufig in Konflikte mit Nazis verwickelt sind. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erleben die von jüdischen Autoren geschaffenen Comic-Strips eine bemerkenswerte thematische Differenzierung, indem sie sich insbesondere in den Dienst einer jüdischen Erinnerungsarbeit stellen und den unbegreiflichen Schrecken des Holocaust aufzuarbeiten suchen.

Exemplarisch dafür steht "Maus", die 1992 mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete Bildergeschichte von Art Spiegelman über die Biographie seines Vaters, eines Überlebenden der Shoah. Andere, wie beispielsweise Bernice Eisenstein mit "I was a Child of Holocaust Survivors" oder Martin Lemelman mit "Mendel's Daughter", beschreiben die Schicksale von Kindern, deren Eltern den Holocaust überlebten.

Das Trauma dieses Erlebens zu verarbeiten und gleichzeitig die Erinnerung daran wach zu halten, hat, so könnte man es als Quintessenz dieser bemerkenswerten Ausstellung verstehen, im Comic-Strip ein ebenso populäres wie unverzichtbares Ausdrucksmittel gefunden.

"De Superman au Chat du rabbin. Bande dessinée et mémoires juives" im Pariser Museée d'art et d'histoire du judaisme, 71 rue du Templier, noch bis zum 27. Januar 2008.

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SZ vom 19.11.2007/ihe
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