Gehört, gelesen, zitiert:Treuegefühle, Hassgefühle

Gehört, gelesen, zitiert: George Orwell.

George Orwell.

(Foto: Vera Archives/imago/Leemage)

George Orwell über die richtige Erforschung der Wurzeln des Antisemitismus.

In einer Notiz zur Frage, wie die Ursprünge des Antisemitismus wohl zu erforschen sein müssten, schrieb George Orwell 1945:

"Was beinahe alles ungültig macht, was über den Antisemitismus geschrieben wird, ist die Annahme im Geiste des Schriftstellers, daß er selbst immun dagegen sei. ,Da ich weiß, daß der Antisemitismus irrational ist', schließt er, ,ergibt sich daraus, daß ich ihn nicht teile.' Er unterläßt es also, seine Untersuchung an dem Ort zu beginnen, wo er zuverlässige Anhaltspunkte in die Hand bekommen könnte, in seinem eigenen Kopf. (...) Ich möchte den modernen Intellektuellen sehen, der genau und ehrlich seine Seele erforscht, ohne auf Treue- und Haßgefühle zu stoßen. (...) Man wird daher einsehen, daß der Ausgangspunkt für jede Erforschung des Antisemitismus nicht sein sollte: ,Warum spricht dieser offensichtlich irrationale Glaube andere Leute an?', sondern ,Warum spricht der Antisemitismus mich an?' (...) Der Antisemitismus sollte erforscht werden (...) und es wäre wahrscheinlich am besten, nicht damit zu beginnen, den Antisemitismus zu entlarven, sondern alle Rechtfertigungen, die man für ihn finden kann, in seiner eigenen Seele oder in einer anderen zusammenzustellen. Auf diese Weise könnte man vielleicht Anhaltspunkte gewinnen, die zu seinen psychologischen Wurzeln führen würden. Aber daß der Antisemitismus endgültig geheilt werden wird, ohne daß die größere Erkrankung des Nationalismus geheilt würde, glaube ich nicht."

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