Georg Kreisler ist tot:"Manche Leute wünschen mich nach Israel"

Auch in seiner Zunft blieb er eher Einzelgänger: Bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft etwa seien sie alle SPD-nah gewesen, erzählte er. Allein dieser Umstand bedeutete Zoff: Er sei zwar Sozialist, aber wolle keiner Partei helfen. Kreisler war eben ein Solitär: Offen für neue Stoffe, genial in Text und Spiel, doch offenbar nur bedingt teamfähig. Er verhielt sich, wie man hört, bisweilen nachtragend wie starrköpfig. Und er war ein Multitalent.

Georg Kreisler vor seinem Haus in Salzburg-Aigen im Spätsommer 2009
(Foto: Oliver Das Gupta)

Kreislers Kreativität sprudelte regelrecht: Sein Œuvre umfasst neben den Chanson- und Kabarett-Programmen unzählige Platten, Bücher, Fernsehsendungen und zwei Opern. Gesellschaftskritisch und beißend blieben Kreislers Werke, er spießte die aufkeimende Sicherheitsmanie des Staates auf, später malte er aus, wie spaßig ein atomarer Super-GAU wäre. Genial gallig war das, was er zustande brachte. Selten verrannte er sich, wie damals, als er den Krieg gegen Saddam Hussein 2003 notwendig nannte - er glaubte der Mär von den Massenvernichtungswaffen, wie er später einräumte.

So umtriebig er künstlerisch war, so ruhelos war er im sonstigen Leben: Jedes Jahrzehnt lebte er in einer anderen Stadt, zuletzt trat er nur noch bei Lesungen auf - weil er sich "nicht mehr auf Finger und Kopf verlassen" könne. Sein Liebesglück hatte er da schon längst gefunden mit seiner dritten Ehefrau Barbara Peters, mit der er schließlich nach Salzburg zog. Die Wahl auf die schöne Stadt am Alpenrand fiel wegen seiner Frau, die den Süden liebe, sagt Kreisler an jenem Sommertag 2009, nicht etwa, weil er Sehnsucht nach Österreich gehabt hätte.

Manche hier würden ihn nach wie vor "nach Israel wünschen", der Antisemitismus sei unterschwellig noch da. Die Leute von der rechtspopulistischen FPÖ nennt Kreisler "Neonazis". Warum die Partei im Gegenstatz zu deutschen Rechtsaußen-Bewegungen in der breiten Bevölkerung Rückhalt hat, erklärt er sich mit einem besonderen austriakischem Opportunismus: Die Österreicher würden nicht so viel nachdenken, meint Kreisler, sie sagten sich einfach: "Na, dann marschier' ma halt." Kreisler wienert diesen Satz, zwar mit Schmäh, aber ohne gemeinem Unterton. Er sei ja ohnehin nicht böse, er habe nur böse Lieder geschrieben, sagt er.

Und dann ist er es doch ein bisschen, als die Rede kommt auf das heutige Kabarett. Das, was er von Harald Schmidt im Fernsehen gesehen habe, fände er nicht sehr humorvoll. Und Hape Kerkeling? Der habe ihm früher gut gefallen, aber heute, nun ja: "Die Menschen lachen über Horst Schlämmer - weil sie nichts Besseres haben." Einer fällt ihm dann doch noch ein, der Lob verdient: "Der Josef Hader ist sehr gut, find' ich."

Am Ende des Gesprächs kommt die Rede auf die Endlichkeit und die Frage, wie er es mit der Religion hält. Die sei eine "menschliche Erfindung", sagt Kreisler. Gottgläubig, das sei er aber sehr wohl. Nur könnten die Menschen Gott nicht wirklich begreifen, meint Kreisler, und schiebt nach: "Er kann auch eine Sie sein."

Georg Kreisler dürfte sich inzwischen vergewissert haben: Er starb an diesem Dienstag im Alter von 89 Jahren in Salzburg.

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