Genderneutrale Berlinale:Bärendienst

Die Berlinale hat angekündigt, dass sie ihre Schauspielerpreise für Frauen und Männer abschafft. Stattdessen gibt es genderneutrale Preise für eine Haupt- und eine Nebenrolle. Was wie ein Fortschritt aussehen soll, könnte Frauen noch mehr diskriminieren.

Von Susan Vahabzadeh

Die Berlinale will künftig ihre Darstellerpreise genderneutral vergeben - statt der besten Schauspielerin und dem besten Schauspieler werden ab 2021 jeweils eine beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle und eine in einer Nebenrolle prämiert. Das ist eine gute Nachricht für alle, die sich weder als Frau noch als Mann definieren. Für Frauen ist sie dagegen irritierend. Soll Gerechtigkeit ausgerechnet dadurch hergestellt werden, dass es Veränderungen in der einen Kategorie gibt, in der sie bislang nicht unterrepräsentiert waren - wenn auch nur, weil sie ihnen alleine gehörte? Für Schauspieler, die nicht in traditionelle Definitionen passen, hätte sich eine andere Lösung finden lassen.

Kein Wunder also, dass "Pro Quote Film" auf die Entscheidung eher entgeistert reagiert hat. Von Gendergerechtigkeit sei die Berlinale, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme, weit entfernt. Zur Ehrenrettung der Berlinale muss man sagen: Sie ist, mit einer gemischten Doppelspitze aus Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian und einer höheren Dichte an Regisseurinnen im Wettbewerb, näher dran als Cannes. Gerechtigkeit sieht trotzdem anders aus - denn solange die Filmbranche von Männern dominiert wird, kann eine geschlechtsneutrale Preisvergabe für Schauspieler gar nichts ausrichten. Bei den Regiepreisen heißt es oft, sie gingen so oft an Männer, weil es viel weniger Filme von Frauen gibt. Nach dieser Logik gehen jetzt mehr Darstellerpreise an Männer, weil es ja auch mehr Rollen für Männer gibt. Sollte es nicht so sein, wird es heißen, die Jury beuge sich dem "Genderwahn". Ein Gewinn ist das nicht.

© SZ vom 26.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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