Gender-Marketing:Halt den Mund, Alexa!

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Sozialroboter in einer Fabrik im chinesischen Suzhou. Ihre Funktionen umfassen Erziehung, Kinderpflege und das Begleiten älterer Menschen. (Foto: REUTERS)
  • Ein Team aus Dänemark hat eine geschlechtsneutral klingende Stimme für künstliche Intelligenzen entwickelt.
  • Es wirbt dafür, dass Technologiekonzerne "Q" als drittes Geschlecht für Systeme wie Alexa oder Siri anbieten.
  • Das Projekt weist auf die sexistischen Stereotype hin, die sich beim Design von Sprachassistenten und Robotern reproduzieren.

Von Philipp Bovermann

Ist Siri, der Sprachassistent von Apple, eine Frau? Siri selbst antwortet auf diese Frage: "Ich bin weder das eine noch das andere. Wie Kakteen. Und manche Fische." Klingen tut Siri allerdings "weiblich", so lautet die Standardeinstellung. Auch Amazons Alexa und viele andere künstliche Intelligenzen, die man zu Hause herumkommandieren kann, sprechen standardmäßig mit weiblicher Stimme. KI-Systeme für komplexe Aufgaben im professionellen Bereich hingegen, wie IBM's Watson oder Einstein von Salesforces, brummen meist männlich-tief.

Um zu dieser Form sexistischer Etikettierung eine Alternative zu bieten, hat ein Team dänischer Sounddesigner, Linguisten und Aktivisten nun eine dritte Option für Sprachassistenten entwickelt. Die automatisch erzeugte Stimme Q klingt geschlechtsneutral - mal glaubt man eine Frau, dann wieder einen Mann herauszuhören. Das Team hat dazu eine Demoaufnahme im Internet veröffentlicht und das Projekt beim Tech-Festival SXSW in Austin vorgestellt.

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Q entstand mithilfe von Software und spricht mit einer Tonhöhe von 145 bis 175 Hertz. Das ist der Frequenzbereich zwischen den höheren Stimmlagen von Frauen und den tieferen von Männern.

Die Stimmaufnahmen, die die Grundlage für Q bilden, stammen zum Teil von Menschen, die sich weder als männlich noch weiblich identifizieren. Ziel des Projekts ist, zu zeigen, dass "genderbinäre Normativität" viele Menschen ausschließe und "wie einfach es anzuerkennen wäre, dass mehr als zwei Geschlechter existieren, wenn man künstliche Intelligenzen entwickelt". So Thomas Rasmussen, Sprecher der an dem Projekt beteiligten Organisation Copenhagen Pride. Das Team hofft nun, dass Tech-Unternehmen sich dafür entscheiden, Q als eine mögliche Stimmenvariante, neben männlich und weiblich, in ihre KI-Systeme einzubinden.

"Q" löst ein Versprechen ein, das Cyberfeministen in der Digitalisierung sahen

Stimmen sind die Tastaturen der Zukunft. Wir werden künftig immer häufiger mit intelligenten Systemen sprechen, anstatt Knöpfe zu drücken. Allein bis zum Jahr 2023 soll der Markt für Sprachassistenten um 35 Prozent wachsen. Studien zeigen, dass Nutzer weibliche Stimmen bevorzugen, wenn sie Hilfestellung wünschen. Männliche Stimmen hingegen verbinden sie mit wichtigen Informationen, die es zu befolgen gilt. Aufgrund ähnlicher Untersuchungen werden Sicherheitsroboter breitschultriger gebaut, Empfangsroboter bekommen hingegen höhere Stimmen und breitere Hüften.

Mit Aspekten der Funktionalität hat das natürlich nicht das Geringste zu tun. Sondern ausschließlich mit bewussten oder unbewussten Erwartungshaltungen hinsichtlich Geschlechterrollen, die sich darin spiegeln - und eben auch reproduzieren. Eine geschlechtsneutrale Stimme wie Q erfüllt damit eine alte Forderung des Cyberfeminismus der Neunzigerjahre: Mittels Technologie konventionelle Geschlechtergrenzen zu unterlaufen, anstatt sie, wie es in der Regel geschieht, noch weiter zu bestärken.

Das Interessanteste an Q ist also gar nicht, dass es der Auswahl möglicher Stimmformen neben männlich und weiblich noch eine dritte hinzufügt, sondern dass es die beiden anderen infrage stellt. Wenn man dieser Stimme zuhört, hinter der kein echter Mensch steckt, und sich aus Gewohnheit trotzdem fragt, ob man Q nun als "er" oder "sie" bezeichnen soll, merkt man vielleicht irgendwann: Das ist ganz einfach die falsche Frage.

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