Sie laufen jetzt wieder, die Kinder mit ihren Laternen und ihre Laternen mit ihnen. "Ein Lichtermeer, zu Martins Ehr!" Doch leuchtet unterm Sternenhimmel auch das fahle Licht des Kopierers. Und wer aus Liederbüchern Lizenzware kopiert, der muss Abgaben zahlen, sagt Christian Krauß, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft (VG) Musikedition. Er hat damit für einige Aufregung gesorgt, man muss fast sagen: für gehöriges Rabimmel, Rabammel, Rabumm.
SZ: Herr Krauß, werden in deutschen Kindergärten bisher im großen Stil illegal Kopien von Noten gezogen?
Christian Krauß: Davon ist auszugehen. Und deswegen haben wir ein Angebot geschaffen, diese Praxis zu legalisieren.
SZ: Sie bieten den Kindergärten Lizenzverträge an, damit diese "Rechtssicherheit" haben - zum Beispiel, wenn sie eine neuere Bearbeitung von "Ich geh mit meiner Laterne" vervielfältigen.
Krauß: Künstlerische Werke sind bis 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten urheberrechtlich geschützt. Traditionelle Martinslieder wie "Sonne, Mond und Sterne" sind längst frei von Rechten. Aber es gibt viele wirklich neue Kinderlieder und gerade von "Laterne, Laterne" auch neue Textbearbeitungen. Dabei handelt es sich um geistiges Eigentum, und das müssen wir schützen.
SZ: Aber die Kinder wollen doch nur singen!
Krauß: Sie sollen ja auch singen. Darum geht es gar nicht. Es sollen ja auch nicht die Kinder zahlen, sondern die Kitas. Und das tun sie übrigens auch: 4000 haben bereits Verträge mit uns geschlossen.
SZ: Wie kontrollieren Sie, ob die Vorgaben eingehalten werden - mit Stichproben?
Krauß: Im Moment nicht, und wir planen auch keine. Gemeinsam mit der Gema haben wir alle Kindergärten angeschrieben und über die Rechtslage informiert. Wir gehen davon aus, dass sich jetzt auch alle daran halten.
SZ: Was kostet die Flatrate für das Kopieren von Kinderliedern?
Krauß: So teuer ist das nicht, da bitte ich, einen Blick auf die Tarife zu werfen. Die meisten Kitas bezahlen 56 Euro im Jahr. Für die Einrichtungen in kirchlicher oder kommunaler Trägerschaft gibt es einen Rabatt von 20 Prozent.
SZ: Wer nicht zahlt und trotzdem kopiert, macht sich strafbar?
Krauß: Im Grunde ja. Das war aber vorher nicht anders! Bis 2008 mussten Kindergärten sich direkt an die einzelnen Verlage wenden, wenn sie Kopien von Noten machen wollen. Die Alternative ist, dass zum Beispiel eine Kita mit vier Gruppen 60 bis 80 Liederbücher kauft - das ist im Vergleich um ein Erhebliches teurer.
SZ: Wie finde ich denn als Betreuer heraus, ob meine Version von "Laterne, Laterne" mit Rechten belastet ist?
Krauß: Unter vielen Notenblättern stehen Copyright-Vermerke. Man kann aber auch auf der Webseite der Rechtegesellschaft Gema recherchieren oder bei uns anrufen.
SZ: Es wäre doch ein schöner Beitrag der VG Musikedition zur so wichtigen frühkindlichen Bildung, wenn sie den Kindergärten die Abgaben erließe.
Krauß: Ich frage mich manchmal, ob Kindergärten auch vom örtlichen Handwerker verlangen, kostenlos zu arbeiten. Und ich bin überrascht, dass es jetzt so einen Aufschrei gibt. Alle Politiker und Parteien sind sich doch darin einig, dass Bildung nicht kostenfrei zu haben ist.
SZ: Aber die Kinder!
Krauß: Auch musikalische Bildung kostet eben Geld. Es sollte doch jedem verständlich sein, dass Urhebern auch in diesem Fall eine kleine Kompensation zusteht. Es gibt viele andere Bereiche, in denen auch Abgaben für Vervielfältigung gezahlt werden, ohne dass die Menschen davon etwas merken. Schulen bezahlen, wenn sie Kopien für den Unterricht anfertigen. Auch mit den großen Kirchen haben wir Verträge geschlossen über Kopien für Gottesdienste und gottesdienstähnliche Veranstaltungen. Was jetzt mit den Kindergärten passiert, ist nichts Außergewöhnliches.