Geisteswissenschaften:Am Anfang und am Ende steht die Dichtung

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Michael Theunissen, seit 1978 an der FU Berlin, dachte existenziell mit Kierkegaard, Marx, Hegel und Pindar. Im Alter von 82 Jahren ist er gestorben. (Foto: Universität Tübingen)

Sein Denken galt dem Leben: Der Philosoph Michael Theunissen ist im Alter von 82 Jahren gestorben.

Von Günter Figal

Mit dem Philosophen Michael Theunissen trat in der Philosophie der Bundesrepublik ein leidenschaftliches Denken auf den Plan, bei dem es in jeder Hinsicht ums Leben ging. Theunissen wollte das Leben verstehen und durch das Verstehen in eine Klarheit bringen, die das Leben von sich aus nicht hat - nicht das allgemeine Leben, sondern das individuelle, jeweilige. Wer ihm zuhörte, wusste sofort, dass alles, was er sagte, einen selbst anging oder angehen sollte. Er begann meist leise, als ob er sich zum Sprechen zwingen müsste, mit angestrengter, ein wenig leidender Stimme, die sich freilich zu einiger Dramatik steigern konnte, sobald er richtig bei der Sache war. Im Seminar pflegte er großzügigste Gedankengeburtshilfe im Sokratischen Stil; selbst dem schwächsten Votum gewann er etwas ab, und manchmal konnte einem angst und bange werden, wenn man so mit den weittragenden Konsequenzen der eigenen, unbeholfen formulierten Gedanken konfrontiert wurde. Aber dieser Denker konnte auch schneidend kritisch sein.

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