Gehört, gelesen, zitiert:Seilschaften

Die außenpolitische Expertin der "Financial Times" (FT), Constanze Stelzenmüller, hat in den Achtzigerjahren in Bonn Rechtswissenschaften studiert. Unter ihren Kommilitonen damals: Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen. In der FT erinnert sie sich:

"Meine männlichen Kommilitonen waren leicht erkennbar. Alle schienen eine Uniform zu tragen, die aus gestreiften Hemden, Breitcordhosen, Tweedsakkos mit Ellenbogen-Aufnähern aus Leder und Wingtip-Schuhen bestand. Einige von ihnen, die Söhne von Beamten aus dem höheren Dienst, Generälen oder Botschaftern, trieften vor Selbstbewusstsein und Anspruchsdenken. Die anderen kompensierten ihren niedrigeren sozialen Status mit einem Übermaß an überbordendem Ehrgeiz.

Die meisten hatten ihren obligatorischen Wehrdienst direkt nach dem Abitur absolviert. Viele haben sich entschieden, zusätzlich sechs Monate zu dienen, um einen Offiziersrang zu erlangen; die Snobs schielten auf eine Geheimdienstausbildung. Ein Initiationsritus waren die Debattierkurse der konservativen Konrad Adenauer Stiftung, in denen die politischen Talente ihre Vortragskünste schärften. Aber der wahre Schlüssel zum Erfolg war die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft. Entweder eine schlagende (ja, wirklich - Narben und alles) oder die katholische, nicht-schlagende. Politisch waren beide konservativ bis reaktionär. Sie führten ihre heranwachsenden Mitglieder ans gesellschaftliche Leben heran mit Bällen (Frauen vorgeschrieben) und Trinkabenden (Frauen streng verboten). Ihre Alumni halfen verlässlich dabei, den jungen Karrieren den Weg in die Berufswelt zu ebnen. Diese vertikalen Netzwerke nannte man "Seilschaften" wie die Teams im Bergsteigen.

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