Gehört, gelesen, zitiert:Glückliches Leipzig

Masha Gessen bekam auf der Buchmesse den Preis für Europäische Verständigung. Im "New Yorker" schwärmt sie von der politischen Debatte in Deutschland.

Masha Gessen hatte die großen Erwartungen der Amerikaner an den Bericht von Sonderermittler Robert Mueller ohnehin nicht verstanden, diese Hoffnungen, als würde Donald Trump und mit ihm die Zerrissenheit Amerikas verschwinden, wenn herauskäme, ob und wie eng seine Verbindung zu Russland während des Wahlkampfes gewesen war, als wäre Trump ein Fremder, den fremde Mächte den USA untergejubelt haben . Als der Mueller-Bericht dann herauskam, war die russische Journalistin Masha Gessen nicht in New York, wo sie wohnt, sondern in Leipzig, wo sie auf der Buchmesse den Preis für Europäische Verständigung für ihre Russlandanalyse "Die Zukunft ist Geschichte" entgegennahm. Im New Yorker beschreibt sie die Preisverleihung in Leipzig - überrascht und voller Wehmut - als Fest lebendiger, demokratischer Debatte .

"Vergangenen Mittwoch war ich auf der Eröffnung der Leipziger Buchmesse. Man hatte mich gewarnt, dass es ein langer Abend werden würde: fünf politische Reden - Bürgermeister, Ministerpräsident, zwei Minister, der Vorsitzende des Börsenvereins -, ehe der erste Schriftsteller das Podium betreten würde. Ich nahm meinen Platz mit einer gewissen Sorge ein. Dann hielt ein Redner nach dem anderen eine kurze, schlüssig aufgebaute, durchdachte Rede. Die Politiker vertraten Parteien mit einigermaßen unterschiedlichen Ansichten, aber alle Ansprachen betonten (. . .) die Krise des europäischen Projektes und die Bedeutung des geschriebenen Wortes in Zeiten großer Unsicherheit. Ich traf ein paar Amerikaner und wir tauschten Klagen aus. Wir hatten soeben politische Reden auf eine Weise erlebt, wie sie sein sollten - substanziell, relevant, verantwortlich -, und uns wurde klar, was Amerika verloren hat."

© SZ vom 27.03.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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