Süddeutsche Zeitung

Gedichte:Flip-Flop im Kopf

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Karin Fellner hört in der Sprache das Ach, erkennt in der Störung den Stör und folgt mit ihm der Strömung weiter zu "komischen, kosmischen Ringen". Ihr neuer Gedichtband hält, was sein Titel verspricht: "Eins: zum andern".

Von Tobias Lehmkuhl

Vorsicht, dieser Gedichtband steht unter sprachelektrischer Hochspannung! Er ist derart aufgeladen, dass Lichtenberg-Figuren entstehen. Ein einziges "Blitzgebüsch", zu dem auch Photooxidantien ihren Teil beitragen: "baff und alert durch das Weiß,/ Weiß ist Raps, Curry, Dahlien, Chlor, Dotter, Benzopyren,/ aus allen Bahnen fällst du, bist vollzählig, wirst gebettet/ zu Ringfiltern, Dispersion".

Es flip-flopt einem der Kopf, liest man Karin Fellners "eins: zum andern": Benzopyren? Ringfilter? Weißer Curry? Hier scheinen Dinge aufeinanderzutreffen, die eigentlich nicht zusammengehören. Doch seltsamerweise reagieren sie miteinander, und sei es, dass sie nach einem kurzen aber explosiven Zusammentreffen wieder - Dispersion - mit Lichtgeschwindigkeit auseinanderfliegen. Sprache macht's möglich, oder genauer: "Sprahahache, ach! Bewegtes Gefilde, ondulierter Wald." Karin Fellner hört in der Sprache das Ach, erkennt in der Störung den Stör und folgt mit ihm der Strömung weiter zu "komischen, kosmischen Ringen". Dabei wirkt es so, als könnte sie nur mit Mühe das Brausen und Blubbern der Wörter unter Kontrolle halten - souveräne, sprich gepflegt-langweilige Meisterschaft sucht man in "eins: zum andern" zum Glück vergeblich. Die Münchner Dichterin setzt sich in ihrem fünften Band der Sprache, diesem verflixten Etwas, vielmehr ganz ungeschützt aus.

"will nicht, kann" schreibt ihre Kollegin Barbara Köhler auf der Umschlagrückseite, und genauso ist es: Fellner sucht nicht die Entscheidung, das Ja oder Nein, die Null oder Eins, sie hält es aus, im berühmten Unentschiedenen zu verharren, in der Hexenküche der Bedeutungen, denn gerade hier "in der Mitte von zweien wächst/ allerlei Raues, ein Jux, eine Juxtaposition."

So kommt in "eins: zum andern" tatsächlich eins zum anderen. Dort verbleibt es nicht unbedingt, sondern geht, ja schießt durch dieses Andere auch einfach mal hindurch. Da feuern, nein da "feiern" die Lese-Neuronen. "Weiter hinten sitzt die Skribentin und kippelt."

Karin Fellner: eins: zum andern. Gedichte. Parasitenpresse, Köln 2019. 68 Seiten, 10 Euro.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2019
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