Gedenkstätten - Erfurt:Wagner: Täter und Zuschauer der NS-Verbrechen im Blick

Deutschland
Jens-Christian Wagner während einer Pressekonferenz. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Der neue Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Jens-Christian Wagner, will mit seiner Arbeit den Blick stärker auf Täter, Profiteure und Zuschauer der NS-Verbrechen richten. Der Historiker forderte am Dienstag in Erfurt, sich vom "Opferzentrismus" zu lösen. "Natürlich: Im Mittelpunkt des Gedenkens stehen ohne Zweifel die Opfer", sagte Wagner, "aber zeitgemäße Gedenkstättenarbeit muss meines Erachtens nach sehr viel stärker nach den Tätern, Mittätern und Zuschauern der NS-Verbrechen und auch nach den Profiteuren der NS-Verbrechen fragen".

Auch die Funktionsweise der Gesellschaft im Nationalsozialismus müsse thematisiert werden. Sie sei eine "radikale, rassistisch organisierte Gesellschaft" gewesen. Die Verbrechen seien damals in der Öffentlichkeit verübt worden. Es müsse also danach gefragt werden, was Buchenwald mit Weimar oder Mittelbau Dora mit Nordhausen zu tun haben oder was Industrielle und Kleinunternehmer motivierte, auf Zwangsarbeit zu setzen. Zentral sei dabei die Frage nach dem Bezug zur heutigen Zeit.

Jens-Christian Wagner ist seit Anfang Oktober der neue Direktor der Gedenkstättenstiftung und damit der Nachfolger des Historikers Volkhard Knigge.

Der 54-Jährige kündigte mehrere Projekte an, die in den nächsten Jahren realisiert werden sollen. So plant die Stiftung erstmals ein Jahrbuch herauszugeben, dessen erste Ausgabe bereits im April erscheinen soll. Es handle sich dabei um eine "Art Geschichtszeitschrift" mit wechselnden Schwerpunktthemen, erläuterte Wagner. Darin sollen Aufsätze von internen und externen Autoren erscheinen. In der ersten Ausgabe soll es um Geschichtsrevisionismus und die neue Rechte gehen.

Bislang sei unter anderem ein Beitrag des neuen Leiters der Gedenkstätte Mittelbau Dora, Karsten Uhl, zum Thema "völkisches Denken" in der Geschichte und Heute geplant. Wagner selbst will ebenfalls einen Beitrag beisteuern.

Außerdem soll eine bereits vor etlichen Jahren konzipierte internationale Wanderausstellung zur Zwangsarbeit im Gauforum in Weimar gezeigt werden. Zwei bereits mehr als 20 Jahre alte Dauerausstellungen in Buchenwald sollen erneuert werden - in der einen geht es um die Speziallager, in der anderen um die Geschichte der Gedenkstätte.

Man arbeite zudem daran, den Gedenkort Ellrich-Juliushütte an der thüringisch-niedersächsischen Grenze auszubauen, berichtete Wagner. Dies sei ein Bundesländer-übergreifendes Projekt. Wagner machte klar, dass er auch verstärkt mit Gedenkstätten in Thüringen zusammenarbeiten will, die nicht von der Gedenkstätten-Stiftung getragen werden. Nächstes Jahr soll ein Pilotprojekt zur Digitalisierung von Teilen der Sammlung der Gedenkstätten starten. Laut Wagner ist es zunächst auf drei Jahre angelegt.

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