Gedenkkultur:Morgiges Gestern

Nicolaus Schafhausen kuratiert am NS-Dokumentationszentrum, das seit dem vergangenen Jahr internationaler, aktueller und politischer werden soll.

Von Catrin Lorch

"Tell me about yesterday, tomorrow" ist der Titel einer Ausstellung, die Nicolaus Schafhausen, Direktor der Kunsthalle Wien, am Münchner NS-Dokumentationszentrum kuratiert. Das auf neun Monate angelegten Projekt eröffnet im November mit einem mehrtägigen interdisziplinären Programm. Insgesamt werden etwa 30 zeitgenössische Künstler - unter ihnen Keren Cytter, Leon Kahane, Olaf Nicolai und Willem de Rooij - neue Werke für die Ausstellung produzieren, die nicht nur die Räume des NS-Dokumentationszentrums, sondern auch die Kammerspiele, das Lenbachhaus und andere Orte nutzt.

"Die Arbeiten werden nicht nur auf die komplexe deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts verweisen", heißt es in der Ankündigung, "sondern auch auf deren Anbindung an aktuelle globale Lebensrealitäten". Zudem soll institutionelle Erinnerungsarbeit thematisiert werden - wobei Nicolaus Schafhausen bei einer Pressekonferenz darauf hinwies, dass es für zeitgenössische Künstler eine Herausforderung sei, sich an einem Ort wie dem NS-Dokumentationszentrum mit der Geschichte zu befassen: "Solche Projekte gab es in dieser Größenordnung bislang nicht", sagte Schafhausen, der die Künstler auffordert, sich offensiv mit der Erinnerungs- und Denkmalkultur zu beschäftigen. Im Titel, der übersetzt "Erzähl mir von gestern, morgen" heißt, ist das Wort "gestern" durchgestrichen, ein Verweis darauf, wie aktuell die Beschäftigung mit Geschichte gerade heute ist.

Nicolaus Schafhausen hat im vergangenen Jahr unter Verweis auf die erstarkende Rechte in Österreich seine Stelle als Direktor der Kunsthalle Wien gekündigt. Als Kurator hat er unter anderem zweimal den deutschen Pavillon in Venedig verantwortet und Gruppenausstellungen wie die sechste Moskau-Biennale und den Oktobersalon in Belgrad kuratiert. Die von ihm verantwortete Ausstellung ist Teil einer Neu-Ausrichtung des NS-Dokumentationszentrums, das seit dem vergangenen Mai von der Historikerin Mirjam Zadoff geleitet wird und "in Zeiten eines politischen Rechtsrucks in Europa und den USA" internationaler, aktueller und politischer werden soll.

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