Süddeutsche Zeitung

Gedenkkonzert für David Bowie:Einer, der fehlt

In New York traten Rockstars bei zwei Konzerten für den verstorbenen David Bowie auf - und an manchen Stellen musste man einfach ins Taschentuch flennen.

Von Peter Richter, New York

Einen ganzen langen Abend nichts als Lieder von David Bowie, auch noch überwiegend die aus den Siebzigern, und dann am nächsten Abend gleich noch einmal: Ist etwas Schöneres vorstellbar?

Offen gesagt schon. Nämlich das Ganze mit David Bowie am Mikrofon.

Aber da kann man offenbar jammern, soviel man will: Bowie bleibt stur tot und seine Asche auf Bali verstreut, auch wenn das immer noch nicht besonders glaubhaft klingt; besser leben lässt es sich mit der Vorstellung, dass er einfach heim ist ins All, von dem die schönsten seiner Songs ja immer gehandelt haben, und dass er uns von dort oben zuzwinkert, wenn man selbst am New Yorker Himmel mal ein paar Sterne sieht.

Donnerstag- und Freitagabend wurde nun aber mal zurückgefunkelt: zwei "Tribute"-Konzerte, das erste in der Carnegie Hall, das war schon seit Oktober geplant und sollte ihn eigentlich als das feiern, was man eine lebende Legende nennt. Dann starb er am 10. Januar, das geplante Konzert mutierte zur Trauerfeier, war in Überschallgeschwindigkeit dermaßen ausverkauft, dass sofort ein zweites in der Radio City Music Hall drangehängt wurde. Für alle, die etwas spendeten, das der Musikerziehung von Kindern zugutekommen soll, gab es davon auch einen Videostream.

Das sogenannte "Line-up" der Tribut zollenden Künstler war an beiden Abenden größtenteils das gleiche und las sich wie eine Bestenliste des Rolling Stone-Magazins. Der wichtigste Unterschied: In der Carnegie Hall ging es mit Cindy Lauper los, die "Suffragette City" sang, in der Radio Music City Hall sang Ann Wilson (ganz genau, die von der Band Heart) "Space Oddity", aber in beiden Fällen saß Woody Woodmansey noch einmal am Schlagzeug, der Mann, der mit Bowie schon die Originale eingespielt hatte, und der ältere Herr da hinter dem Bass, das war tatsächlich Tony Visconti, der so viele von Bowies Platten produziert hat, darunter auch die allerletzte. Das war, sozusagen als historische Kontinuität, die Rhythmusgruppe der Hausband, während die Bowie-Interpreten kamen und gingen und manchmal auch ihre eigene Band dabeihatten, manchmal auch nur eine Gitarre.

Und, wie war das nun?

Wie soll es schon gewesen sein, wenn da zum Beispiel die große, große Debbie Harry mit Blondie an dem einen Abend "Starman" zum Besten gab und an dem anderen "Heroes" und man gar nicht recht sagen kann, in welcher Rolle sie hinreißender war? (Vielleicht passt "Heroes" noch ein klitzekleines bisschen besser zu ihr.)

Wenn man natürlich auch sagen muss, "Tribute" heißen solche Konzerte, weil eben jemandem Tribut gezollt wird, und das Zollen von Tribut ist eine Unterwerfungsgeste, die man mit Demut betreiben kann oder auch mit Eitelkeit. Gemeint ist damit die Annäherung an das Original in dieser kriechenden Proskynese-Haltung, dieser aufgeplusterten Verlangsamung, die bei solchen Gelegenheiten immer auch leicht zu einer etwas klebrigen Ergriffenheitsprahlerei werden kann.

Kyp Malone von der Band TV on the Radio darf sich hier angesprochen fühlen. Bei Michael Stipe, ehemals R.E.M. und mittlerweile mit Weihnachtsmannbart, könnte man zumindest darüber diskutieren. Stipe flüsterte "Ashes to Ashes" in einem kaum noch hörbaren Bereich, und Karen Elson, die Ex von Jack White, hauchte im Wechselgesang dazu die Refrains von der Bodenstation. Das war schon sehr, sehr schön natürlich, aber es hatte eben auch diese humorbereinigte Grabrednerbetulichkeit, von der man immer annehmen möchte, dass sie den Verstorbenen gar nicht so recht ist, weil sie lieber in ihrer Vitalität und ihrem Witz im Gedächtnis bleiben möchten. Andererseits: Wie soll man schon wissen, was Verstorbene wirklich wollen.

Das war sehr schön und tröstlich und es gab auch gut Gelegenheit, ins Taschentuch zu flennen

Die Hinterbliebenen wollen jedenfalls einerseits typischerweise den heiteren Trost der schönen Erinnerung, andererseits aber auch vorher ein bisschen ins Taschentuch flennen. Und dazu bestand die zwingendste Gelegenheit, als Don McCaslin, dieser grandiose Jazz-Saxofonist von Bowies letztem Album "Blackstar", das Stück "Lazarus" spielte. Und zwar eben nicht nur das Saxofonsolo. Sondern mit seinem Saxofon auch die Singstimme, die ja nun einmal von uns gegangen ist

Eher aus der Kategorie Leichenschmaus: Als Perry Farrell (Jane's Addiction und viele mehr) in rotem Samtanzug "Rebel Rebel" sang wie ein angeschwipster Dandy auf einer Karaoke-Bühne. Oder wie die Pixies einfach "Cactus" runterrockten. Ist das nicht ein Stück von ihnen selbst? Ja und nein: Bowie hatte 2002 eine Cover-Version davon gemacht. Und der wurde jetzt gewissermaßen zurückgecovert. Das Wort Rückkopplung bekam hier eine erweiterte, noch fiependere Dimension.

The Polyphonic Spree, die damals, eben 2002, als Vorband mit Bowie auf Tour waren, schwankten zu ihrer Version von "Slip away" in weißen Schlafanzügen hin und her wie eine astreine New-Age-Sekte, und als gegen Ende hin The Flaming Lips "Life on Mars" spielten, saß Sänger Wayne Coyne auf den Schultern von Chewbacca, dem "Star Wars"-Zottel. Und warum auch nicht?

Ach, es waren schon große Namen, die sich da das Mikrofon reichten wie einen Staffelstab: Amanda Palmer und Jakob Dylan, Joseph Arthur (mit Fuck-Trump-Flagge am Mikro), Sean Lennon und J Mascis, Mumford and Sons und und und, auffällig oft aus der Alternative-Rock-Ecke, auffällig wenige, die den Funk-Bowie von "Fame" und "Let's Dance" repräsentiert hätten, was schon deshalb kein Drama ist, weil es zeigt, wo dieser Mann am Ende eben am wirkungsvollsten war. Aber immer machen solche Interpretationen dann halt vor allem doch die Differenz zum Gefeierten spürbar, also den Verlust.

Das musikalische Gedenken an David Bowie ist natürlich aus guten Gründen kein Ähnlichkeitswettbewerb. Wenn es allerdings einer wäre, dann wäre der Gewinner weder in der Carnegie Hall noch in der Radio City Music Hall aufgetreten, sondern neulich in Jimmy Fallons "Tonight Show" und ist für alle Welt auf Youtube nachprüfbar: Chris Martin von Coldplay saß da am Klavier und hielt, was das Entscheidende ist, seinen Mund in Demut geschlossen. Es sang nämlich der Gastgeber, und zwar "Life on Mars" - bowieesker als Bowie selbst. Es ist mit Abstand das Beste, was diese beiden jemals gemacht haben werden.

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Quelle:
SZ vom 04.04.2016/cag
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