Gedenkfeier für Frank Schirrmacher:Eine Lücke, ein Riss

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Leidenschaft und Sorge prägten seinen Blick auf die Welt: Am 5. September wäre Frank Schirrmacher 55 Jahre alt geworden. (Foto: Thomas Lohnes/Getty)

Kollegen und Freunde gedenken in der Frankfurter Paulskirche des verstorbenen FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher. Und fragen sich: Wer sonst kann tektonische Verschiebungen der Zeitläufe so früh erkennen und scharf analysieren?

Von Andrian Kreye, Frankfurt am Main

Es war am Ende der Gedenkrede, die der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht bei der Gedenkfeier für Frank Schirrmacher in der Frankfurter Paulskirche hielt, als die Lücke noch einmal so schmerzhaft spürbar wurde, die der Tod des FAZ-Herausgebers und Intellektuellen am 12. Juni gerissen hatte. In einer letzten Mail habe ihm Schirrmacher geschrieben: "Habe eine ganz große Idee. Wird alles verändern. Müssen sofort telefonieren." Zu dem Telefonat kam es nicht mehr.

Es war eine wirklich bewegende Rede, die Gumbrecht da hielt. Gerade weil sie mit der ganzen Herzlichkeit und Direktheit eines langjährigen Freundes und intellektuellen Weggefährten geschrieben war. Gerade nach dem großen Respekt und der tiefen Trauer, in den Reden von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, von Schirrmachers Herausgeberkollege Holger Steltzner und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann.

Zum Tod von Frank Schirrmacher
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Er war bei der FAZ Nachfolger von Marcel Reich-Ranicki und Joachim Fest, war Gesellschaftskritiker und dabei nie nur klassischer Kulturmensch. Nun ist Frank Schirrmacher im Alter von 54 Jahren gestorben.

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Da hatte sich also die "Geistesrepublik Deutschland" versammelt, wie Steltzner jene Welt umschrieben hatte, die Schirrmacher mit seinen Debatten so lange geprägt hatte. Sicher, es war auch ein Staatsakt an diesem spätsommerlichen Vormittag. Bundespräsident Joachim Gauck war gekommen, der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz, Vertreter so ziemlich aller politischen Lager, von den Konservativen bis hin zu Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht von den Linken und Christopher Lauer von den Piraten. Sie waren immer Teilnehmer der großen Debatten gewesen, die Frank Schirrmacher in seinem Feuilleton angestoßen hatte, wenn er die Frage nach der Überalterung der Gesellschaft stellte, nach den Gefahren im euphorischen Aufbruch der digitalen Gesellschaft, nach den Abgründen im System einer deregulierten Weltwirtschaft.

Aber es waren vor allem die Intellektuellen und Publizisten aus dem ganzen Land, die hier noch einmal von einem ganz Großen aus ihrer Mitte Abschied nahmen. Und so blieb die Stimmung ernst im mächtigen Hallenoval der historischen Kulisse. Wer, so blieb die Frage im Raum, würde die tektonischen Verschiebungen der Zeitläufte in Zukunft so früh erkennen und scharf analysieren?

Credo für einen zeitgenössischen Intellektualismus

Gumbrecht hatte Schirrmachers drei große Stärken als eine Art Credo für einen zeitgenössischen Intellektualismus beschrieben. Da sei das Ungeschliffene gewesen, das seinen wissenschaftlichen Geist prägte und ihm so etwas wie eine ewige Jugend bewahrte; die Leidenschaft, mit der er sich auf seine Themen stürzte, und die Sorge, mit der er die Welt betrachtete. Auf diesem intellektuellen Dreiklang gründete sich ein kritischer Geist, der gerade die rasanten Umwälzungen einer technologiegetriebenen Zeitgeschichte so einordnen konnte, dass die Debatte möglich wurde.

Dass ein solcher Geist unersetzlich sei, machte Gumbrecht deutlich. Nicht nur in Deutschland hinterlässt Frank Schirrmacher eine großer Lücke. Denn auch daran erinnerte Hans Ulrich Gumbrecht: In Amerika und England brachte der kritische Geist aus Frankfurt gerade im digitalen Diskurs eine Facette ein, die fehlen wird. Viel zu früh. Am Freitag, dem 5. September, wäre Frank Schirrmacher 55 Jahre alt geworden.

"Wir wollen das Feuer weitertragen, das in ihm brannte", sagte Holger Steltzner in seiner Rede. Als man dann durch die Halle voll Trauergäste in die Frankfurter Sonne trat, fiel rechts von der Tür noch ein Blick auf die zwei grauen Steintafeln, auf denen die Namen der Friedenspreisträger eingemeißelt sind. Bis zum Jahr 2013 geht die Liste. In rund einem Monat wird dort in der Paulskirche der Informatiker und Gesellschaftskritiker Jaron Lanier seinen Preis entgegennehmen. Lanier war eine jener Stimmen, die Schirrmacher entdeckt und gefördert hatte.

Und sein Name wird auf dieser Steintafel auf ewig daran erinnern, dass Schirrmachers Feuer auch nach seinem viel zu frühen Tod noch Funken stieben lässt.

© SZ vom 06.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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