Geburtstagsinterview mit Herbert Feuerstein:"Wir hatten nie Sex"

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"Es ist schon schrecklich, immer auf Schmidt angesprochen zu werden", sagt Herbert Feuerstein, hier in der Sendung "Schmidteinander", 1991. (Foto: dpa)

Kurz bevor Herbert Feuerstein 70 Jahre alt wurde, gab er der SZ ein Interview, indem es - natürlich - auch um seine Beziehung zu Harald Schmidt ging. Aus Anlass seines Todes wird es hier noch einmal veröffentlicht.

Interview von Ruth Schneeberger

Dieses Interview ist im Juni 2007 erschienen, aus Anlass von Herbert Feuersteins Tod veröffentlichen wir es hier noch einmal.

In der Kulturredaktion von sueddeutsche.de. Schwüle Mittagshitze. Die übliche Lethargie. Da klingelt das Telefon. Schock! Herbert Feuerstein ist dran. Er will eigentlich gar kein Interview geben. Dann überflutet uns ein Wortschwall, den wir verkürzt wiedergeben.

Herbert Feuerstein: Lassen Sie uns bitte nicht über meinen Geburtstag sprechen.

sueddeutsche.de: Warum nicht?

Feuerstein: Ich habe nur auf Druck meiner Agentin angerufen und hätte es unfreundlich gefunden, mich nicht zu melden. Lassen Sie uns lieber über Sie reden - oder über Tiere.

sueddeutsche.de: Wie kam es dazu, dass Sie nach all den Jahren zum ersten Mal wieder mit Harald Schmidt zusammen an einem Tisch sitzen - in der Show, die am Freitagabend zu Ihrem Geburtstag ausgestrahlt wird?

Feuerstein: Indem ich hingegangen bin und ein Kamerateam dort war. So ist das beim Fernsehen.

sueddeutsche.de: Ich meine, wer kam auf die Idee?

Feuerstein: Der WDR. Schmidt hat ja demnächst auch Geburtstag. Ich glaube, er wird 90, das weiß man bei ihm nicht so genau. Da plant die ARD Großes, eine Art Werk-Rückschau. Kurz bevor er stirbt, hätten sie dann gleich einen Nachruf auf ihn. Über das große Schaffen eines großen Mannes - er ist ja 1,94 Meter groß. Für die Sendung zu meinem Geburtstag gab es die Anfrage, ob mich der Schmidt auf ein Schiff einladen dürfe. Ich dachte: Was kommt denn jetzt? Das Boot? Das große gemeinsame Sinken?

sueddeutsche.de: Man hat dafür ein Schiff gefunden, das fast so alt ist wie Sie.

Feuerstein: Ja, die Stadt Köln von 1938. Es heißt, man wollte Adolf Hitler dieses Schiff schenken, aber er wollte es nicht. Da war es immer noch gut genug für mich. Die haben uns wahnsinnig gut bekocht dort.

sueddeutsche.de: Dieter Müller, ...

Feuerstein: Sie kennen diese Leute?

sueddeutsche.de: Naja, der meistgefeierte Sternekoch ...

Feuerstein: Wir wussten das gar nicht, dass da solche Leute sein werden zur Aufzeichnung. Die haben uns ins Paradies gekocht. Der Schmidt hat viel zu schnell gegessen. Ständig wurden neue Weine dazu serviert. Da bekommt man ja grundsätzlich eine ganz andere Beziehung zur Umwelt, wenn man so viel trinkt. Deswegen verliert sich meine Erinnerung an den Abend ... Ich weiß ja nicht, wie die das schneiden. Ich schaue mir meine eigenen Sendungen nie vorher an, das kann ich erst sehr viel später. Ich weiß nur, dass Schmidt und ich zwei Stunden lang gestritten haben.

sueddeutsche.de: Die ganze Zeit?

Feuerstein: Naja, nicht wirklich schwer. Man wird ja milder im Alter.

sueddeutsche.de: Wird man?

Feuerstein: Nein. Es ist nur igendwann egal. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, würde ich mich für meine Zeit beim Fernsehen in die Hölle schicken - aber meine Zeit bei Mad würde mich retten.

sueddeutsche.de: Sie waren 20 Jahre lang Chefredakteur der deutschen Ausgabe des Satiremagazins.

Feuerstein: Wir haben 200 Nummern der Zeitschrift herausgegeben, dazu 60 Taschenbücher - wenn nur jedes zweite lustig war, stimmt die Rechnung, dass wir für mindestens eine Milliarde Lacher gesorgt haben - allerdings sind wir damit auch für das Waldsterben und den Klimawandel verantwortlich, weil wir so viel Papier produziert haben. Aber das tun die Tageszeitungen ja auch, zum Beispiel die SZ ...

sueddeutsche.de: Lassen Sie uns über "Schmidteinander" reden.

Feuerstein: Wieso über "Schmidteinander"?

sueddeutsche.de: Weil ich das mochte.

Feuerstein: Stimmt, Sie sind zu jung für Mad, außerdem offenbar weiblich. Wir hatten vor allem männliche Gymnasiasten als Leser. "Schmidteinander" - das ist so lange her, das verschwimmt in meinem Gedächtnis. Es hat da immer ein starkes Gehaltsgefälle gegeben.

sueddeutsche.de:  Wirklich?

Feuerstein: Also, bitte (lacht) ... Schmidt ist Schwabe! Aber da gab es inhaltliche Kleinigkeiten, die mir sehr lieb waren, zum Beispiel "Apfel und Ei". Absurde, kurze Dialoge, während wir im Kühlschrank saßen. Genau so wäre "Schmidteinander" geworden, wenn es nach mir gegangen wäre. Aber Schmidt ist ein Realist und ein Populist - sonst wäre er auch nicht so erfolgreich.

sueddeutsche.de: Und das Tanztheater?

Feuerstein: War Schmidts Idee. Trotzdem dürften wir einigen Ballett-Choreographen im Lande Vorbild gewesen sein. Erinnern Sie sich an die Zwergbrillenratte? Das ist etwas, das die Leute sehr lieben. Die Rolle ist mir auch selbst nicht fremd. Wahrscheinlich, weil ich ein Tier bin. Zumindest sagen das die Frauen.

sueddeutsche.de: Es wird ja immer behauptet, dass Sie die Gags geschrieben haben und Schmidt damit groß raus kam ...

Feuerstein: Weil die Leute immer mich fragen. Würden Sie ihn fragen, würde er wahrscheinlich anderes sagen, aber er hat keine Lust, darüber so viel zu reden.

sueddeutsche.de: Wie ist denn jetzt Ihre Beziehung zueinander?

Feuerstein: Es ist schon schrecklich, immer auf Schmidt angesprochen zu werden. Aber um die Frage zu beantworten: Wir sind ein bisschen versöhnlicher geworden. Wir hatten aber nie Sex miteinander.

sueddeutsche.de: Sie haben jetzt zusammen mit Pocher "Vollidiot" gedreht ...

Feuerstein: Ja, aber wir hatten wenig Berührungspunkte.

sueddeutsche.de: Können Sie als Schmidts ehemaliger Seniorpartner Tipps geben für den Umgang mit seinem neuen Juniorpartner?

Feuerstein: Nein. Ich war ja selbst Juniorpartner von Schmidt. Zuletzt sind wir auch nicht mehr gemeinsam aufgetreten. Entweder, ich trug eine Obsttüte auf dem Kopf, oder ein Simultandolmetscher war dabei, oder ich saß im Nebenraum und wurde per Kamera übertragen. Das ist überhaupt die Zukunft von allem, dass man nur noch übertragen wird. Dass man zum virtuellen Menschen wird.

sueddeutsche.de: Zurück zu Ihrer Jugend ...

Feuerstein: Ach, diese grauenhafte Jugend. Es wird ganz schlagartig besser mit 30. Da fing für mich das Leben an. Darüber ist ja schon viel geschrieben worden: Ich hatte einen schlechten Start, eine fürchterliche Zeit in New York, und dann diese wunderbare Zeit mit der deutschen Mad, das war für mich der beste Lebensabschnitt. Eigentlich wäre meine Karriere danach zu Ende gewesen. Ich hatte nie geplant, mit 50 noch mal zum Fernsehen zu gehen. Aber ich bin ein neugieriger Mensch und habe mich vom Zufall und von den Möglichkeiten leiten lassen. Ich habe nie einen bestimmten Beruf angestrebt.

sueddeutsche.de: Stimmt die Geschichte eigentlich, dass Sie ursprünglich Musiker werden wollten und das Mozarteum Sie wegen Beleidigung des Hochschulpräsidenten rausgeworfen hat?

Feuerstein: Nicht ganz. Ich war dort und habe gleichzeitig als Kritiker für eine Zeitung geschrieben. Das gab Ärger, und man hat mir nahegelegt, die Schule zu verlassen.

sueddeutsche.de: Sie sind also zwangsweise Journalist geworden ...

Feuerstein: Damals waren wir noch so arrogant, zu denken, Journalismus könne man nicht studieren, das müsse man einfach können. Dann hatte ich alle sieben, acht Jahre lang Lust, etwas Neues zu machen. Inzwischen sind die Intervalle kürzer geworden. Eigentlich geht es mir gerade prächtig. Ich habe in letzter Zeit sehr schöne Sachen gemacht. Ich konzentriere mich wieder aufs Schreiben, hatte Lesereisen mit 200 Lesungen, habe angefangen, Theater zu spielen, bin zur klassischen Musik und zu Mozart zurückgekehrt, und das geht ja alles weiter. Bis 2009 bin ich verplant.

sueddeutsche.de: Bis 2009?

Feuerstein: Ja, mit Vorkasse. Wegen meiner Lebenserwartung. Meine Witwe besteht darauf.

sueddeutsche.de: Was kommt als Nächstes?

Feuerstein: Der Tod.

sueddeutsche.de: Um Gottes Willen!

Feuerstein: Warum nicht? Die Zeit dazwischen werden wir schon irgendwie füllen. Wenn ich etwas gar nicht mag, sind das Projekte. Die Medien wussten offenbar gar nicht, dass ich ein alter Sack bin. Sie haben sich von meinem Äußeren leiten lassen und mir diese ganzen Rollen gegeben. Jetzt wissen sie es. Jetzt werden sie mich in Ruhe lassen.

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