Zum 80. Geburtstag:Kris Kristofferson - Ein Amerika lieben, das es vielleicht nie gegeben hat

Zum 80. Geburtstag: Kris Kristofferson, 1980, in Michael Ciminos großem Pleite-Western "Heaven's Gate".

Kris Kristofferson, 1980, in Michael Ciminos großem Pleite-Western "Heaven's Gate".

(Foto: IFTN)

Der linke Cowboy-Hippie, Poet und Vollbartträger Kris Kristofferson wird 80 Jahre alt. Ein amerikanischer Held, wie man ihn sich gewünscht hat.

Von Kurt Kister

"Kristofferson". So heißt das eine Album, das man hören müsste, wenn ein böser Hip-Hop-Tyrann oder ein widerwärtiger Heavy-Metal-Kanzler einem verbieten würde, irgendetwas von Kris Kristofferson zu hören - außer eben einem Album. "Kristofferson" erschien 1970. Da war der Namensgeber 34 Jahre alt, hatte unter anderem in Oxford studiert, konnte Hubschrauber fliegen, hatte in Bad Kreuznach gewohnt und war als Hausmeister in einem Musikstudio in Nashville tätig gewesen.

An diesem Mittwoch wird Kris Kristofferson 80 Jahre alt. Er hat manches überlebt, den Suff und andere Rauschdinge, und er gehört zu den Großmeistern jenes Musikgenres, das man heute "Americana" nennt. Er ist immer noch ein Singer/Songwriter, dessen Stimme nie so toll war, was er aber mit Leonard Cohen gemeinsam hat, dem Dichter, der sich selbstironisch eine "golden voice" attestiert. Ein Dichter ist Kristofferson auch, nicht so wie Cohen oder Bob Dylan, aber allemal ein Lyriker, der das 20. Jahrhundert mit ein paar Zeilen beschenkt hat, die bleiben werden, wenn alles andere längst verweht ist.

Dieses Gefühl, wenn alles vorbei ist und nur die Traurigkeit zurückbleibt

"Freedom's just another word for nothing left to loose" oder auch "I'd trade all of my tomorrows for one single yesterday". Beide Zeilen stammen natürlich aus dem heiligen "Me and Bobby McGee", jenem Song, den Kris Kristofferson, damals ein No Name, 1969 mit Fred Foster geschrieben hatte. Janis Joplin machte ihn berühmt, und jeder, der mal verliebt war, in sich oder in jemand anderen, kennt dieses Gefühl, wenn alles vorbei ist und nur die Traurigkeit zurückbleibt: Wie gern würde ich alle meine Morgen, all meine Tage in der Zukunft, gegen ein einziges Gestern eintauschen.

"Me and Bobby McGee" ist auf der LP "Kristofferson". Da findet sich auch "Help me make it through the night", ein sinatraesker Melancholiesong (let the devil take tomorrow, Lord, tonight I need a friend) oder "Sunday Mornin' comin' down", eine Hymne für alle, die den Samstag gerade mal so überlebt haben und sich vor der Sonntagsidylle der anderen fürchten.

Kris Kristofferson ist natürlich viel mehr als seine erste LP, auch wenn seine erste LP viel mehr ist als zehn LPs vieler anderer, die nicht 80 wurden. Er ist Sohn eines Generalmajors der Luftwaffe, hat selbst etliche Jahre in der Armee, zuletzt im Range eines Hauptmanns und als Hubschrauberpilot abgerissen, war in den Sechzigern drei Jahre lang mit der Army in Deutschland und flog, als er heftigst versuchte, sich als Musiker zu etablieren, Helikopter auf Bohrinseln im Golf von Mexiko, um Geld zu verdienen. Er wurde von Johnny Cash protegiert, spielte mit Dylan, liebte Janis Joplin (kurz) und Rita Coolidge (länger, als Ehemann und nahezu heftig).

Manche Töne trifft er nicht mehr, manche hat er nie getroffen

Es gab Zeiten, da war er auch als Schauspieler richtig prominent, er gewann einen Golden Globe, und man sah ihn in Michael Ciminos großartigem Pleite-Western "Heaven's Gate". Unter Martin Scorsese spielte er in "Alice lebt hier nicht mehr", und 1976 war er Barbra Streisands Liebhaber in "A Star is Born" (das brachte ihm immerhin eine Oscar-Nominierung ein). Sein bester Film war "Pat Garrett jagt Billy the Kid" von Sam Peckinpah, in dem Bob Dylan mitspielte und die Musik schrieb, knockin' on heaven's door.

Kris Kristofferson ist ein Songschreiber, ein Schauspieler, ein Ex-Suffkopp, ein Balladenschreiber, ein Mir-doch-egal-Reibeisenstimmeninhaber, ein linker Countrysänger, ein Poet, ein Vollbartträger zu Zeiten, als man mit dem Vollbart noch dagegen war, ein Liebhaber, ein Versager. Und er ist auch eine Art amerikanischer Held, so wie man sich vor längerer Zeit amerikanische Helden gewünscht hat. In vielen seiner Songs erzählt er davon, was er verloren hat. Sieger-Songs hat er eher nicht geschrieben.

Kristofferson ist auch ein Cowboy-Hippie aus Nashville, der einst die Sandinisten in Nicaragua unterstützt hat und an dem die Country-Dumpfbacken mit ihrem eintätowierten Recht, Waffen zu tragen, in Form von Figuren wie George W. Bush oder Donald Trump unsubtile Rache nehmen. Er hat Obama unterstützt und würde, könnte er es denn, Bernie Sanders wählen.

Man muss nicht zusehen, wie die Brücken hinter einem brennen

Kristofferson ist natürlich auch Romantiker, der mit Waylon Jennings, Johnny Cash und Willie Nelson eine Zeit lang die Western-Songwriter-Supergruppe Highwaymen bildete. Die machte vielen alternden Pferdeschwanz-Trägern den Mut, daran zu glauben, dass man auch mit Jeansgröße 36/32 noch ein attraktiver Wochenend-Outlaw-Biker mit allerdings guter Altersversorgung sein kann.

Zwischen "Kristofferson", 1970, und "Feeling Mortal", 2012, hat Kristofferson viele Alben gemacht. Am Anfang war sein Ding die traurige Liebe. Es verwundert nicht, dass er seit zehn Jahren immer häufiger darüber singt, was mal war und was irgendwann kommt - der Tod. Einige seiner frühen Alben sind deutlich besser als etliche der späteren. Manche Platten, zumal die in schneller Folge in der zweiten Hälfte der Siebziger veröffentlichten, klingen ziemlich ähnlich. Macht aber nichts, weil man sie ja nicht alle hintereinander hören muss. (Einen Überblick gibt eine neue 16-CD-Box, die von 1970 bis 1981 reicht.)

Heute ist Kris Kristofferson ein alter Mann, der mit seiner dritten Frau in Maui, Hawaii lebt. Er tourt hin und wieder noch und singt von Liebe und Tod. Manche Töne trifft er nicht mehr, manche hat er nie getroffen. Aber er kann immer noch Menschen, die ein Amerika lieben, das es vielleicht nie gegeben hat, zum Weinen bringen. Let's just be glad, we had some time to spend together. There's no need to watch the bridges that we're burning, singt er in "For the good times". Nein, man muss nicht zusehen, wie die Brücken hinter einem brennen.

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