Süddeutsche Zeitung

Geburtstag:Saarland

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Das Saarland wird 60. Es war einst eine Kohleregion, begehrt von Frankreich und Deutschland, wie etwa heute das Donbass zwischen Russland und Ukraine.

Von Lukas Latz

Der Kabarettist und saarländische Nationaldichter Gerd Dudenhöfer sagte über die Plagen des Älterwerdens einmal: "In de Bibel hat de heilische Petrus schon gesaat: isch war auch mal Jünger!" (Dazu muss man wissen, dass der Kalauer im Saarländischen deutlich höher geschätzt wird als im Hochdeutschen.) Am ersten Januar feiert das Saarland seinen 60. Geburtstag. Aus diesem Anlass sind einige Festakte, Bürgerreisen nach Bonn und Paris sowie die Auflage einer Sonderbriefmarke geplant. Zum ersten Mal als geografische und politische Entität wurde das Saarland gegen Ende des Ersten Weltkrieges wahrgenommen. Damals begann seine wechselhafte Geschichte, die es ein wenig zum Donbass des 20. Jahrhunderts macht. Das Saarland ist wie der Donbass in der Ostukraine eine Kohleregion. Um diese Kohle stritten sich Deutschland und Frankreich. 1920 wurde das Saargebiet politisch unter einem Mandat des Völkerbundes verwaltet, einer Art Vorläufer der OSZE.

Das düsterste Kapitel der saarländischen Geschichte ist die Volksabstimmung von 1935, bei der 90% der Bevölkerung für die Eingliederung des Gebietes ins Dritte Reich gestimmt haben und damit auch gegen Demokratie und Freiheit. Da die Nazis eine massive Drohkulisse aufbauten, gilt die Wahl einigen Historikern als ähnlich fair wie das Referendum auf der Krim von 2014. Bis zur Volksabstimmung 1955 über die Wiedereingliederung in die Bundesrepublik wurde es von couragierten Nazigegnern regiert. Ministerpräsident war Johannes Hofmann, der als katholischer konservativer Journalist in den Zwanziger- und Dreißigerjahren vergeblich gegen die Nazis angeschrieben hatte. Nachdem es als 11. Bundesland in die Bundesrepublik aufgenommen wurde, kamen, wie überall in der damaligen Bundesrepublik, auch ehemalige Nazis an die Macht. Von 1959 an amtierte Franz-Josef Röder, CDU, 20 Jahre als Ministerpräsident, der zuvor seit 1933 NSDAP-Mitglied gewesen war. Heute nach 60 Jahren als Teil der Bundesrepublik ist das Saarland so wunderbar hässlich und langweilig, wie es sich viele Menschen aus dem Donbass für ihre Heimat wohl wünschen würden.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2016
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