70. Geburtstag:Jane Birkin - Jederzeit bereit, ein wenig Glamour zu spenden

Jane Birkin wird 70

Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin bei einem Konzert in Budapest, 2012.

(Foto: dpa)

Als Rebellin wirkte die Schauspielerin und Sängerin immer ein wenig überfordert. Heute wird Jane Birkin alles, aber doch wohl nicht siebzig! Eine Liebeserklärung.

Von Willi Winkler

Es geht immer um die Männer. Vor fünfzig Jahren war sie einen winzigen Augenblick lang nackt zu sehen, zeigte gerade genug Schamhaar, dass Youtube, prüder als der Zensor von 1966, das Filmsegment heute zum Schutze der Jugend sperren muss. Nur weil ihr Ehemann, der James-Bond-Komponist John Barry, sie mit ihrer Schüchternheit aufgezogen hatte, traute sich Jane Birkin zu Michelangelo Antonioni und schmolllippte einmal kurz durch die Mode- und Model-Welt des Films "Blow-Up".

Dabei fand sie sich doch aber schrecklich langweilig, wollte nur Ehefrau, Mutter, Köchin sein und ein Kind haben. Sie liebte den dreizehn Jahre älteren Barry, weil er ausgerechnet sie auserwählt und zur Frau genommen hatte, das dünne kleine Mädchen. "Ich wollte ihn unbedingt haben." Er sollte ihr Gustav Mahler sein, aber seine Alma wurde sie nicht. Es war Barry, der sich nach anderen umdrehte und bei der ersten Gelegenheit auch schon fort war. Wenigstens hatte sie das Kind.

Es ist, was sonst, eine Vatergeschichte. Jane Birkins Vater war Soldat, ein Spion, ein Kriegsheld, weil er nach der Eroberung durch die Deutschen französische Soldaten nach England schaffte und Résistance-Kämpfer wieder zurück über den Kanal, unter ihnen François Mitterrand. Der Vater wollte sie im Internat vor der Welt, vor der Kunst bewahren, aus der er seine eigene Frau, die Schauspielerin Judy Campbell, herausgeheiratet hatte. Die Tochter drängte auf die Bühne, trat in einem Musical auf und ließ sich heiraten. Dem Vater entkam sie trotzdem nicht.

Beim Tragen der Handtasche, die man für sie entwarf, klagte sie über Sehnenscheidenentzündung

Nach der Scheidung stieß ihr eine transnationale Liebesgeschichte zu, von der sie noch heute lebt und das empfindsame Europa auch. Sie fand einen Mann, der noch schüchterner war als sie. Der Chansondichter Serge Gainsbourg befand sich, wie er behauptete, auf der Flucht vor den Brüsten von Brigitte Bardot, und er wollte Jane haben, weil sie aussah wie von Lucas Cranach gemalt. Es wurden Tage und Jahre voller Champagner und Orchideen und theatralischer Streitereien. Gefeiert wurde in Absturzkneipen und am Ufer der Seine, gespielt, gefesselt, geliebt überall, Paris eben.

Das Fest fürs Leben vollendete sich in der unio, nicht nur mystica, die sie gemeinsam in dem Chanson "Je t'aime" zelebrierten, ohne je die nachgehauchte Einschränkung "moi non plus" zu vergessen - ich auch nicht. Toujours Paris eben.

Nicht nur die BBC sperrte sich gegen das Liebesspiel, der Vatikan indizierte es, Frankreich bürgerte die Britin ein, und in den Siebzigern wurden zu dem gehauchten Chanson ungezählte Kinder gezeugt.

Sie musste ihn verlassen, konnte es nicht. Als sie bereits von dem Regisseur Jacques Doillon schwanger war, kam Gainsbourg noch nachts vorbei, betrunken, erledigt, "Wie hätte ich ihn abweisen können?" Also kochte sie wieder für ihn.

Ist sie eigentlich je erwachsen geworden? Die Männer wollten sie gar nicht anders als mädchenhaft. Bei Antonioni ist sie namenlos und wird im Rollenverzeichnis nur als "die Blonde" geführt. Sie spielt bei Richard Lester, bei Godard mit, bei Rivette, bei Tavernier, ganz Französin, aber immer Jane Birkin. Auch Doillon hatte keine besondere Rolle für sie, dabei war sie jederzeit bereit, ein wenig Glamour zu spenden. Sie kann so verhärmt und unterdrückt sein, wie es die Nebenrolle verlangt, wenn sie den Schmollmund doch einmal öffnet und diese kleine Lücke zwischen den Scheidezähnen zeigt, ist sie wieder das kleine Mädchen.

Niemand hat von diesem besonderen nicht britischen, nicht französischen, diesem eigentümlich Birkin-Glamour mehr profitiert als das Unternehmen Hermès, das 1994 mit dem Segen der Namenspatin eine "Birkin Bag" herausbrachte. Jane Birkin hatte sich eine geräumige Tasche fürs Wochenende gewünscht, und so geschah es. Ihre Bag wurde mit Straußenmuster und Diamanten besetzt zum Accessoire im Bling-Bling-Protzentum des frühen Trumpozäns und Vorbild für die eckigen ledernen Schilde, die vor allem gegen Weihnachten hin von langbeinigen Models trotzig in die Kamera gehalten werden. Jane blieb ihrem Patenkind gegenüber reserviert, klagte beim Tragen aber über eine drohende Sehnenscheidenentzündung.

Schon das Gebot des Vaters hätte sie daran gehindert, allein das schmückende Beiwerk zu sein, besserer Zierrat. Schon mit ihrem Vater war sie gegen die Todesstrafe marschiert, und später ließ auch die Tochter keine Demonstration aus. Sie engagierte sich und ihren europäischen Ruhm, um beim Staatspräsidenten Sarkozy einen Deal mit dem Militärregime in Myanmar zu verhindern. Im jugoslawischen Bürgerkrieg reiste sie nach Sarajevo. Weil die serbischen Scharfschützen sie hätten erwischen können, wurde sie in einen Panzer gesteckt. "Ich musste an meinen Vater denken", sagt die ewige Tochter, die ihren drei Töchtern natürlich auch die beste Mutter sein wollte.

In "Boxes" (2007) hat sie dieses Leben in eigener Regie verhandelt: alle Männer, alle Kinder, die Mutter, der Vater und sie dazwischen, ein Kind, das von all den erwachsenen Problemen, die es angerichtet hat, hoffnungslos überfordert ist. Aber das stimmt gar nicht. Auch wenn sie ihrem Serge eine ewige Totenwache zu halten scheint und in Erinnerungen an die Boheme schwelgt, als sie in irgendwas Unbezahlbarem von Yves Saint Laurent in die Seine sprang, nur um den alten Brummbär zu beeindrucken, hat sie sich aus der Vaterwelt befreien können. Jane Birkin singt, sie tritt mit ihren Chansons in Südamerika auf und in Japan, ist endlich die Chanteuse geworden, die den Franzosen seit Edith Piaf fehlt.

An diesem Mittwoch wird das unsterbliche Mädchen Jane Birkin 17? 18? 32? 48?, aber auf keinen Fall 70 Jahre alt. Je t'aime.

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