"Stoppt - die Gema-Tarif-Reform!" schrie am Montag in Berlin eine eindrucksvolle Menschenmenge in der Schönhauser Allee. Die Grünen waren dabei, auch die Linke und die Piratenpartei. Die kolportierten 6000 Teilnehmer dürften es zwar bei Weitem nicht gewesen sein, aber ein Zeichen war es allemal. Zufall war der Ort des Geschehens natürlich nicht. Ganz in der Nähe fand im Frannz Club das jährliche Mitgliederfest des Vereins statt, dem 65.000 Komponisten, Musikerverleger und Textdichter in Deutschland treuhänderisch die Verwertung ihrer Urheberrechte übertragen haben und der gar nicht mehr zur Ruhe zu kommen scheint.
Im Inneren brodelt es seit Jahren, vor allem weil es unterschiedlich privilegierte Mitgliedschaften gibt und die Verteilung der Tantiemen von mehr als 700.000 Millionen Euro im vergangenen Jahr bei Weitem nicht so transparent und gerecht erscheint, wie sie längst sein müsste.
Nach außen präsentierte sich die Gema gegenüber den Veranstaltern wiederum mehr als einmal sehr ungeschickt als unbewegliches und selbstherrliches Inkasso-Monster. Von "Raubrittertum" auf Kosten der Kultur war die Rede und eine erste Gema-kritische Petition schaffte es 2010 auf Anhieb in den Petitionsausschuss des Bundestags. Dessen Mühlen mahlen langsam, nicht zuletzt weil es dort zwar redlich bemühte Politiker gibt, aber im Grunde keinen einzigen, der in Sachen Gema wirklich Bescheid weiß.
Es wird allerdings auch tatsächlich sehr schnell sehr kompliziert. Große Politiker werden im Übrigen nicht aus Gema-Experten gemacht. Und das zuständige Justizministerium pflegt traditionell ein inzwischen möglicherweise etwas zu gutes Verhältnis zur Gema.
So gelang es, den Angriff irgendwie versumpfen zu lassen. Zudem war zwischenzeitlich der heftige Rechtsstreit mit YouTube und die Frage des Urheberrechts in Zeiten des Internets in den Vordergrund gerückt. Glück für die Gema. Im Kampf mit dem Google-Tochterunternehmen wird der deutsche Rechteverwerter einmal ausnahmsweise nicht als gieriger Goliath wahrgenommen, sondern als legitimer Anwalt der Künstler.
Für manche Clubs zu zehnfachen Gebührenerhöhungen
Doch die für Januar 2013 angekündigte Reform der Gema-Gebühren hat diesen Eindruck gründlich zunichte gemacht. Chapeau. Auf der Berliner Veranstaltung gingen Modellrechungen um, nach denen Clubs wie das Berliner Berghain künftig statt 30.000 jährlich 300.000 Euro an die Gema überweisen müssen. Das Zehnfache! In München wird kolportiert, dass typische Innenstadt-Clubs, die 200 Quadratmeter groß, an vier Tagen geöffnet sind und sieben Euro Eintritt verlangen, mit Tariferhöhungen um die 650 Prozent rechnen müssen.
Die Gema-Funktionäre bestreiten nicht, dass es mit den neuen Tarifen für manche Clubs zu zehnfachen Gebührenerhöhungen kommen kann, sind aber der Ansicht, dass das Einzelfälle seien. Grundsätzlich beharren sie auf einem Gema-Anteil an den Eintrittsgeldern von künftig zehn statt bislang fünf Prozent. Mit einem "Clubsterben" rechnen sie deshalb nicht.
Sie können das ebenso wenig wollen wie ihre Auftraggeber, die Gema-Mitglieder. Weniger Clubs bedeuten weniger Einnahmen. Andererseits verachten nicht wenige Komponisten und Textdichter die Clubs, weil die sich ihrer Ansicht nach mit minderwertiger Mainstream-Popmusik eine goldene Nase verdienen. Dort abzukassieren halten sie aus einem nicht unbedingt für jedermann leicht nachvollziehbaren beleidigten Kulturelitarismus für mehr als billig.
Ein Schiedsstellenverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt soll die geplante Gebührenerhöhung nun erst mal prüfen. Und eine neue Gema-kritische Petition steht ja auch an.