Süddeutsche Zeitung

Garmisch-Partenkirchen:Staunenswerte Tiefe

Eröffnung des 30. Richard-Strauss-Festivals

Von Klaus Kalchschmid, Garmisch-Partenkirchen

400 Kriegsgefangene waren 1941 die Zuhörer der ersten Aufführung von Olivier Messiaens dreiviertelstündigem "Quatuor pour la fin du temps" im Lager Görlitz an der polnischen Grenze. So viele hätten jetzt auch zum Nachtkonzert bei der Eröffnung des 30. Richard-Strauss-Festivals in die Aula des Werdenfels-Gymnasiums in Garmisch gepasst. Aber den meisten Festgästen genügte nach dem Staatsempfang das abendliche Konzert der ohne Dirigent, gleichwohl exzellent spielenden Camerata Salzburg.

Igor Strawinskys kleinem Es-Dur-Concerto "Dumbarton Oaks" als originellem Entree folgte das Oboenkonzert von Strauss (1945) mit François Leleux und Arnold Schönbergs "Verklärte Nacht". In der Fassung für Streichorchester durfte das Sextett romantisch aufrauschen, sprengte aber fast den akustischen Rahmen des für Kammermusik exzellenten Raums. Umso geeigneter war der für das Hauptwerk des Abends im ersten von drei Konzerten mit den "Rising Stars" Anna Sysová (Klarinette) und Jan Mráček (Geige) aus Tschechien, dem Cellisten Marcin Zdunik aus Polen und Amadeus Wiesensee am Klavier.

Die Vier sind trotz ihrer Jugend bereits Meister ihres Instruments, spielen mit traumwandlerischer Hingabe, Präzision und Musikalität die sieben, mal meditativen, mal enorm expressiven Sätze und präsentieren sie mit staunenswerter Tiefe des Ausdrucks. Ob in der "Vokalise - für den Engel, der das Ende der Zeit verkündet", dem abgründigen, mehrfach aus dem Nichts erwachsenden Klarinetten-Solo des dritten Satzes, der zarten Transzendenz der Cello-Kantilene des fünften Satzes, der Urgewalt der Posaunen des Jüngsten Gerichts im perfekt unisono gespielten "Danse de la fureur" oder dem zarten wie wilden Gegen- und Miteinander der vier Instrumente in typisch Messiaenschen Akkord-Mixtur im vorletzten Satz. Tief berührend dann der "Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu" durch die von sanften Klavierakkorden gestützten Geige zum Beschluss.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2019
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