Netzkolumne:Profitable Pixelmonster

Lesezeit: 2 min

Axie Infinity - jedes Monsterchen ist dank NFT-Technologie ein Unikat und bringt Geld. (Foto: Axie Infinity/Axie Infinity)

Gamer können in Zukunft mithilfe von Blockchain-Technologie Geld verdienen beim Spielen. In Asien boomt der Markt schon.

Von Michael Moorstedt

Es gibt wahrscheinlich ein Gesetz, das besagt, dass Utopien immer so skurril sind wie die Zeit, in der sie entstehen. Und da wir uns bekanntermaßen in einer, höflich formuliert, eher merkwürdigen Epoche befinden, waren auch die Zukunftsvisionen schon mal geerdeter. Eine der neuesten geht jedenfalls so: Schon bald werden wir alle spielend Geld verdienen. Dank der Blockchain natürlich. Und kleine Pixelmonster sind das höchste Gut in diesem Wirtschaftssystem.

Bei dem Videospiel Axie Infinity dreht sich alles um Axies genannte digitale Haustiere, die in etwa so aussehen wie eine Mischung aus Katze und Kugelfisch oder Schaf und Schlange. Man kann sie aufziehen, züchten und trainieren, bis man die Viecher schließlich in einer zeitgemäßen Version eines Hahnenkampfs gegeneinander antreten lässt, auf dass der Stärkere gewinne. Das Prinzip erinnert an Pokemon oder gar die altehrwürdigen Tamagotchi. Während des Spielens verdient man durch gewonnene Kämpfe oder den Verkauf der Tierchen eine Kryptowährung namens Small Love Potion, die man entweder horten oder auf entsprechenden Handelsplattformen in analoges Geld umtauschen kann.

Das Spiel bedient sich dabei einer Technologie namens NFT, mit der digitale Dateien eindeutig zugeordnet und identifiziert werden können. Jedes Axie existiert also nur einmal. Im Frühjahr 2021 gab es bereits einen mittelschweren Boom um die NFTs in der Kunstwelt, und das Prinzip ist das gleiche, nur dass hier nicht fragwürdige Digital-Outsider-Kunstwerke bei Christie's oder Sotheby's für Millionensummen verkauft werden, sondern eben niedliche Videospielmonster.

Auf das Geschäftsmodell "Pay to win" folgt nun "Play to earn"

Eine ganze Reihe von Fabelzahlen: Mehr als 600 000 Spieler verbringen täglich Zeit auf der Plattform, das Gesamthandelsvolumen beträgt über 150 Millionen Dollar, das Wachstum sprengt seit Monaten sämtliche Skalen, und das teuerste Pixeltierchen, ein lila Blob mit Einhorn und orangefarbenem Reptilienschwanz, wechselte für mehr als 500 000 Euro den Besitzer. "Man kann sich Axie wie eine Nation mit einem echten Wirtschaftssystem vorstellen", heißt es beim Entwicklungsstudio Sky Mavis. Drunter macht man es heutzutage wohl nicht mehr. Selbst in der an Größenwahn ja nicht gerade armen Welt der Kryptowährungen ist man sich nicht sicher, ob das jetzt eine so gute Idee ist.

Wahrlich neu ist vor allem der Gedanke, dass die Spieler tatsächlich selbst eine Art von Wertschöpfung betreiben. Immerhin steht dem auf diese Weise generierten Cybergeld mehr realer Wert gegenüber als dem so sehr gehypten Bitcoin, der nur für sich selbst existiert. Bisher hieß es in den meisten Spiele-Apps immer "pay to win". Das gängige Geschäftsmodell besagt, dass die Nutzer teilweise heftige Summen löhnen müssen, um überhaupt Aussicht auf Erfolg zu haben. Jetzt heißt es "play to earn" - spielen, um zu verdienen.

Vielleicht ist das in einer Welt, in der Automatisierung zunehmend gerade gering qualifizierte Arbeitsplätze vernichtet, die nächstbeste Annäherung an ein universelles Grundeinkommen. Der eine Teil der Menschheit züchtet digitale Tiere, die er dem anderen Teil, der über ohnehin genügend Kapital verfügt, dann verkauft.

Gerüchten zufolge kündigen in Südostasien momentan reihenweise Menschen ihre regulären Jobs, um sich in Vollzeit dem Spiel zu widmen. Einen kleinen vierstelligen Betrag könne man so leicht erwirtschaften, heißt es, wenn ein Acht-Stunden-Tag durchgezockt wird. Das mag für hiesige Maßstäbe nicht sonderlich viel erscheinen. In Ländern wie den Philippinen oder Vietnam, in denen Axie Infinity besonders populär ist, lässt sich damit eine Familie ernähren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Netzkolumne
:Am Telefon der Freiheit

Aus Trumps angekündigter Social-Media-Plattform wurde nichts. Nun springen seine Freunde ein, mit zweifelhaften Angeboten.

Von Michael Moorstedt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: