Neueröffnung: "Futurium":Messe der Meister von Morgen

Neueröffnung: "Futurium": Die Frage lautet doch: Kann die Fassade des "Futuriums" außen halten, was die spektakulären Modelle innen versprechen?

Die Frage lautet doch: Kann die Fassade des "Futuriums" außen halten, was die spektakulären Modelle innen versprechen?

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Das lang geplante Zukunftsmuseum des Bundes soll nun "Futurium" heißen. Es eröffnet in Berlin seine Glaspforten und steckt sogleich in einem Dilemma.

Von Peter Richter

Dass die Zukunft etwas ist, worauf man gelegentlich gerne zurückblickt: Das lehrt nicht nur eine berühmt gewordene Sentenz von Hans Magnus Enzensberger, sondern eigentlich auch schon die jüngere Architekturgeschichte. Namentlich die technik-optimistischen Bauten der Fünfziger- und Sechzigerjahre können noch heute heftige Anfälle von Futurismus-Nostalgie entfachen, wie jeder weiß, der schon einmal gesehen hat, wie Freunde der Moderne mit feuchten Augen durch die Hinterlassenschaften der Weltausstellung von Montreal 1967 steigen, verzückten Archäologen bei der Erschließung einer Ausgrabungsstätte nicht unähnlich.

Die Frage, die auf Berlin jetzt zukommt, ist deshalb die, was spätere Generationen einmal zu dem Bau sagen werden, der "Futurium" heißen soll und der an diesem Donnerstag in Berlin eröffnet wird - mit einem Fest für die Öffentlichkeit über das ganze Wochenende. Er soll eine Art Gegenstück zum Haus der Geschichte werden, nämlich für die andere Richtung auf der Zeitachse. Das Haus ist wesentlich vom Bundesforschungsministerium initiiert worden, das zu seinem Unterhalt allerdings so gut wie alle großen deutschen Forschungsgesellschaften mit ins Boot geholt hat.

Es war unter der Hand viel davon zu hören, dass die nicht durch die Bank weg begeistert davon waren. Denn erstens sind Max Planck oder Fraunhofer selber strahlende Namen. Zweitens hat das Haus fast 60 Millionen Euro gekostet und darf nun mit einem Etat von rund 20 Millionen Euro haushalten, was einen schon neidisch machen kann, wenn man so viel Geld auch in die Forschung selbst stecken könnte, statt in ihr Marketing, zumal, drittens, lange nicht recht deutlich gewesen sei, was dieses sogenannte Futurium eigentlich zeigen soll und wird.

Nach einem ersten Gang durch die Eröffnungsausstellung kann zumindest gesagt werden, dass die 200 000 Besucher, die der Direktor Stefan Brandt nach drei Jahren jährlich hier im Haus haben will, vor allem Kinder und Jugendliche sein dürften, die hier in großen Mengen finden, was auch in anderen ambitionierten Technikmuseen einen verregneten Sonntagnachmittag schneller rumgehen lässt. Man sieht die Schulklassen schon vor sich, die sich von ihren Physiklehrern die Wandtexte vorlesen lassen, dann im "Lab" selber ein wenig mit dem 3-D-Printer experimentieren dürfen, und nachher hat hier der Gemeinschaftskundelehrer die Gelegenheit, auch die Themen Datenschutz und Grenzen der Machbarkeit anzusprechen.

Dass das Haus ganz offensichtlich Werbung für ein Studium der sogenannten MINT-Fächer machen will, führt immerhin dazu, dass die Zukunft hier vor allem als wolkige Anhäufung von Problemen erscheint, die nach einfallsreichen Lösungen verlangen, was dieses Haus der Zukunft in einen interessanten Gegensatz bringt zu den sonst eher apokalyptischen Bußpredigerstimmungen der Gegenwart draußen vor der Tür.

Hier kommt nun erschwerend hinzu, dass draußen vor der Tür in diesem Fall heißt: Spreebogen, gegenüber vom Kanzleramt, ehemals Todesstreifen. In den letzten Jahren ist hier nun eine der, milde ausgedrückt, ernüchterndsten Gegenden Berlins gewachsen. Da ist der spektakulär unpraktische Hauptbahnhof, aus dessen pseudo-konstruktivistischer Fassade auch schon mal die nutzlosen Stahlstreben herausfallen als seien sie Stuckschnörkel. Und da sind zahllose drumherum gewürfelte Hotel- oder Bürokisten mit verglasten Schießscharten, die desinteressierten Bauherren von zynischen Architekten vermutlich als "französische Fenster" untergejubelt wurden. In dieser Gegend hatte es das junge Büro Richter Musikowski leicht und schwer zugleich. Leicht, weil hier jede wieder ausgegrabene Schinkelkirche modern und frisch wirken würde.

Und schwer, weil ihr Entwurf sehr solide, ansehnlich, man könnte sagen: schick ist. Aber vielleicht auch ein bisschen sehr von 2012, als das Büro damit den Wettbewerb gewann: Eine Kiste, die sich vorn und hinten nach oben biegt wie eine Wippe, wodurch hübsche Vorplätze geschaffen werden (und man an das schöne Kino International auf der Karl-Marx-Allee denken muss, einen DDR-Bau aus den, logisch, Sechzigerjahren). Auch die Innenräume sind tadellos, schön, angenehm dimensioniert, mit feinen Details. Aber das Dilemma bleibt, dass es notgedrungen ein Haus von heute ist, mit einer Öko-Sonderausstattung aus Solarzellen und Energiespeichern, die inzwischen fast schon wieder als in die Jahre gekommener Mindeststandard gilt. Und eine Fassade, die aus technoid glitzernden Glas-Facetten besteht, wird bei aller Eleganz trotzdem zwangsläufig zur Enttäuschung, wenn sie außer technoid glitzern und Fassade-sein nicht noch mehr drauf hat, solange hinter ihr vorgeführt wird, dass die Gebäude in Zukunft aus Pilzkulturen oder den Schalen von Krabben geformt werden könnten. Dass ganze Städte aus Bambus in den Himmel wachsen könnten und vermutlich auch werden. Dass unsere Fassaden aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen werden oder aus recycelten Resten anderer Häuser, dass Hybride aus Baum und Haus zu Hybriden aus Stadt und Wald führen werden, dass wir Wände bekommen können, die atmen und die Luft säubern und ihre schwelgerischen Formen aus archaischen Materialien beziehen, aus dem guten alten Lehm zum Beispiel.

Wer das sieht in Berlins neuem Haus der Zukunft, und derlei Dinge gibt es dort etliche zu sehen, der kann gar nicht anders als sich umgehend eine komplette Neubebauung der gesamten Gegend am Spreebogen mit solchen Materialien und in solchen Formen zu wünschen. Man könnte darin dann immerhin kleine Modelle der jetzigen Bebauung zeigen, zum mahnenden Gedenken an eine vergleichsweise mutlose Vergangenheit.

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