Süddeutsche Zeitung

Fusion von Random House und Penguin:Das Große kommt zum Großen

Wenn Bertelsmann nun den größten Buchverlag der Welt schafft, geht der Verdacht in Richtung Trash und Quote. Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Warum die Konzentration unter den Verlagen nicht unbedingt einen Verlust an Vielfalt bedeuten muss.

Johan Schloemann

Leser interessieren sich nicht für Verlage. Käufer von Hautcremes, Nudeln oder Strumpfhosen wissen meistens ziemlich genau, von welcher Marke das ausgewählte Produkt stammt. Anders hingegen ist es bei den Käufern und Besitzern von Büchern: Sieht man ab von ein paar literarischen Afficionados und von den Profis der Buchbranche, so steht den Lesern viel weniger vor Augen, in welchem Verlag der Krimi oder das Kochbuch, wie es bezeichnenderweise heißt, erscheint. Man sagt ja nicht: Die Feuchtigkeitscreme "erscheint" bei Nivea oder (um anstelle des Imprints den Großkonzern zu nennen) bei Beiersdorf. Und man sagt auch nicht: Die Penne rigate "erscheinen" bei Barilla oder bei Buitoni. In wievielter Auflage?

Dass der Leser derart wenig Bindung an die Verlage hat, das kann man zunächst bedauern. Haben wir denn nicht, so sagen die Verlagsleute, ein ganz eigenes Profil? Haben wir nicht in jedes einzelne Buch, zusammen mit dem Autor, viel Arbeit hineingesteckt? Und hängt heute nicht sehr viel an der Markenbildung, wie überall, so auch in der Buchbranche? Nun, dass die Leser es offenbar anders sehen, das muss keineswegs nur ein Nachteil sein. Auf den zweiten Blick stellt es sich dar als etwas Besonderes, etwas möglicherweise Wertvolles: Es ist der Gehalt, die Sache, die Story, der Autor, womit die Menschen angesprochen werden.

Das eben, was ihnen interessant erscheint. Für die Leser gibt es also etwas am Buch - sei es anspruchsvoll oder trivial, sei es elektronisch oder gedruckt -, das über dessen Warencharakter hinausgeht. Auch wenn die Loslösung des Buches von seinem kommerziellen Zusammenhang natürlich eine Illusion ist: Es ist doch jene Neugier und Offenheit, jene Flüchtigkeit und Beweglichkeit des Leserinteresses, unabhängig von der Marke des Herstellers, die das große Risiko, aber auch den großen Gewinn des Verlegens ausmacht.

Was also bedeutet die Nachricht, dass die Verlagsriesen Bertelsmann/Random House und Pearson/Penguin zum größten Publikumsverlag der Welt zusammengehen (siehe Seite 2), für die Leser? Wenn man das Interesse des normalen Lesers doch einmal zwischendurch auf die Verlage richtet, die hinter den Büchern stehen, dann wird er wohl zunächst folgende Aufteilung des Marktes vermuten: Die ganz großen Verlage machen die ganz großen Bestseller. Sie sind fürs populäre Programm verantwortlich. Und die kleinen, feinen Verlage machen kleine, feine Bücher, die bis auf ein paar Liebhaber niemanden interessieren.

Jede Menge Pendelzug- und Flughafen-Literatur

Diese Vorstellung wird auch von den kleineren und mittleren Verlagen genährt - von denen es in Deutschland noch recht viele gibt -, indem sie aus legitimer Absicht der Selbstdarstellung behaupten, es seien die großen Buchkonzerne, die alles plattmachten und die nur noch auf Trash und Quote setzten, wogegen die Qualität und die Vielfalt nur noch in den vielfältigen Qualitätshäusern außerhalb der Konzerne ihr Asyl habe.

So ist es aber gerade nicht. Schaut man sich zwar die jetzt unter Bertelsmann-Mehrheit fusionierenden Verlagsgruppen mit all ihren Unterverlagen an der Oberfläche an, wird man gewiss ihren Massen- und Boulevard-Charakter bestätigt sehen: Penguin macht längst nicht mehr bloß die berühmten, früher orangenen Taschenbücher mit wohlfeiler Weltliteratur - Penguin bringt heute das Kochbuch der nicht zuletzt mit ihrem Hintern bekannt gewordenen Prinzessinnenschwester Pippa Middleton heraus - wofür diese angeblich einen Vorschuss von 400 000 Pfund bekam -, Penguin hat einen weiteren Kochbuchgiganten wie Jamie Oliver im Programm und dazu jede Menge Pendelzug- und Flughafen-Literatur wie Ken Follett, J R Ward oder Patricia Cornwell.

Und Random House (dessen deutsche, in München ansässige Verlage unter dem Bertelsmann-Dach unabhängig weiterarbeiten sollen) hat die jüngste Apologie von Jörg Kachelmann im Programm, die Sado-Maso-Romanze "Shades of Grey" von E L James, dazu ebenfalls eine britische Kochbuchgigantin wie Nigella Lawson ("How To Be a Domestic Goddess") sowie jede Menge Fantasy und Schnulzen. Das sieht alles nach skrupelloser Marktmacht aus, und gewiss ist schiere Größe bei dieser Major-Fusion ein entscheidendes Motiv: So kann man besser internationale Bestseller herausbringen, die in einer globalisierten literarischen Öffentlichkeit zunehmend in wichtigen Ländern gleichzeitig oder knapp versetzt erscheinen (wofür man eine immer schneller arbeitende Übersetzerindustrie braucht).

Mit schierer Größe hofft man zudem Amazon Paroli bieten zu können - der Versandfirma, die die Preise drückt und den E-Book-Markt zu dominieren droht -, wie auch der wachsenden Macht der Literaturagenten. Außerdem behalten die Großverlage die elektronische Selbstverlags-Welle im Auge - auch wenn die Stars des Self Publishing im Erfolgsfall bislang doch wieder die Expertise der traditionellen Verlage in Anspruch nehmen.

Die Masse und die Nische

Trotzdem ist dem Verlagsgeschäft mit Gut-Böse- und Groß-Klein-Schemata nicht beizukommen. Erstens soll es ja, man höre und staune, gelegentlich auch Schnittstellen zwischen Erfolg und Qualität geben, also Autoren, die gut verkaufen und trotzdem literarisch interessant sind - das wäre auf der britischen Seite von Penguin etwa Zadie Smith (deutsch bei Rowohlt) oder beim britischen Random House der Autor Ian Mc Ewan (deutsch bei Diogenes). Vor allem aber ist es der eigentliche Clou der Marktkonzentration durch die Verlagskonzerne, dass diese alles kaufen - die Masse und die Nische, und gerne auch den Rest dazwischen.

So gehört etwa zu Penguin in den USA auch die Viking Press - das ist der Verlag von John Steinbeck und Graham Greene, von Thomas Pynchon und Don DeLillo. Und zu Random House in München gehören neben populären Imprints wie Heyne und Goldmann auch traditionsreiche und anspruchsvolle Verlage wie Siedler, Luchterhand, DVA und sogar Manesse, wo bibliophile Dünndruckausgaben von oft auch neu übersetzter und kommentierter Weltliteratur gemacht werden, was am Ende gar nicht so schlecht zur Tradition der Penguin Classics passt.

Dieses umfassende Programm der großen Konzerne ist eine Diversifizierungsstrategie, die nicht mehr allein mit der guten alten Querfinanzierung von Liebhaberprojekten durch Bestseller erklärt werden kann. Vielmehr nähern sich die Verlagsriesen damit dem Anspruch von Internetfirmen wie Google an: tendenziell die ganze Welt im Angebot zu haben. Gleichzeitig aber bewahren oder entwickeln auch die Unterverlage von Großkonzernen ein Eigenleben, so wie die unabhängigen kleinen und mittleren Verlage ihr Eigenleben haben. Die Welt der Bücher ist also tatsächlich weit davon entfernt, dass die Größe die Vielfalt bedroht.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2012/ihe/rus
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