Süddeutsche Zeitung

Frühere Femen-Aktivistin Zana Ramadani:"Muslimische Mütter erziehen ihre Söhne zu Versagern"

Lesezeit: 6 Min.

Zana Ramadani, 33, wurde in Skopje, Mazedonien, geboren und kam als Siebenjährige mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie studierte Recht, Soziologie und Politikwissenschaft und war Mitglied bei Femen; heute politisiert sie für die CDU. Seit 2009 hat sie die deutsche Staatsbürgerschaft, und nur diese, denn ihrer Meinung nach ist ein klares Bekenntnis von ­Migranten zur neuen Heimat unabdingbar. Ihr Anfang März veröffentlichtes Buch "Die verschleierte Gefahr - Die Macht der muslimischen Mütter und der Toleranzwahn der Deutschen" ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen falsch verstandene ­Toleranz dem konservativen Islam gegenüber.

Interview von Bettina Weber

Sie legen sich in Ihrem Buch mit allen an: mit der Politik, vor allem der linken, mit den Feministinnen, dem Feuilleton, dem konservativen Islam, den muslimischen Machos und deren Müttern. Brauchen Sie Polizeischutz?

Zana Ramadani: Der ist schwerer zu bekommen, als man denkt. Ich habe unzählige Anzeigen eingereicht, aber weil die Drohungen, vor allem auf Social Media, fast immer anonym sind, kann die Polizei nicht viel machen. Ich habe deshalb letztes Jahr einen Waffenschein beantragt.

Wer reagiert am heftigsten?

Die Gender-Feministinnen. Sie sprechen mir meine Bildung ab, nennen mich einen Einzelfall und relativieren. Von den konserva­tiven Muslimen hingegen kommt keine Kritik, die drohen nur.

Wie sehen die Drohungen aus?

Ach, da ist alles darunter. Sie nennen mich Hure, drohen mit Vergewaltigung, Mord und seitdem ich schwanger bin, damit, mir das Kind aus dem Leib zu treten.

Haben Sie Angst?

Es wäre absurd, wenn ich Nein sagen würde. Es belastet mich, ja, aber ich versuche, mich davon nicht vereinnahmen zu lassen.

Ist es besonders schlimm, dass Sie als Muslimin den Islam kritisieren?

Wäre ich Deutsche, würde man mich eine Nazi-Schlampe und eine Rassistin nennen, dieser Vorwurf kommt ja immer. Dass ich Muslima bin, macht es schwieriger und daher schlimmer. Dass ich als Frau Kritik äußere, ist das Allerschlimmste. Und so nennt man mich halt einfach gestört und traumatisiert. Aber man fürchtet mich auch mehr, weil ich sehr genau weiß, wovon ich rede. Meine Gegner vermeiden es wenn immer möglich, mir in einer Talkshow gegenüberzusitzen.

Was haben Sie gegen Feministinnen? Sie waren doch einst Mitglied bei Femen.

Ich habe nur etwas gegen einen ganz bestimmten Schlag von Feministinnen. Und zwar gegen jene, die von Frauensolidarität reden, diese aber nicht leben. Die meinen, das einzige Übel sei der westliche weiße Mann, und diesen dürfe man ungehindert kritisieren, während sie Kritik an Angehö­rigen einer fremden Kultur, die genauso frauenverachtend ist, automatisch als rassistisch bezeichnen. Beim Feminismus geht es um Menschenrechte: Man darf alles und alle kritisieren, die Frauenrechte mit Füßen treten, auch Muslime. Wenn mich Feministinnen deswegen als Rassistin bezeichnen, dann hab ich ein Problem mit deren Verständnis von Feminismus.

Sind Sie deshalb bei Femen ­ausgetreten?

Das war mit ein Grund. Femen hat immer mehr solche Gender-Feministinnen angezogen. Es ging so weit, dass die als Protest gegen die Fifa eine Deutschlandfahne auf dem Holocaust-Mahnmal verbrennen wollten, und eine schrieb sich wegen Pegida in Dresden "Bomber Harris, do it again" auf die Brüste. Das ist inakzeptabel.

Ihre Familie floh aus Maze­donien nach Deutschland, als Sie sieben Jahre alt waren. ­Während Ihr fortschrittlicher Vater ein neues Leben begann, verhärtete sich Ihre Mutter. Weshalb?

Ich hatte großes Glück, dass mein Vater gebildet war. Er stammte aus einer liberalen Familie, keine Frau trug Kopftuch. Als wir in Deutschland ankamen, vermied er den Kontakt mit anderen Albanern, nahm stattdessen aktiv am Dorfleben teil, lernte sofort Deutsch und sagte uns immer wieder, wie wichtig die Sprache sei und dass wir uns anstrengen müssten.

Und Ihre Mutter?

Sie fand den Anschluss nicht. Sie telefonierte jede Woche stundenlang mit ihrer Familie zu Hause und blieb so in dieser Welt verhaftet. Die Werte und die Moral von dort, die mein Vater nie gemocht hatte, gegen deren Enge und Beschränktheit er sich gewehrt hatte, wurden immer wichtiger für sie. Weil die Deutschen als Ungläu­bige gelten und die deutschen Frauen als Schlampen, hatte sie, je älter ich wurde desto mehr das Gefühl, mich kontrollieren zu müssen. Weil ich ja die Familienehre beschmutzen könnte und mich dann kein albanischer Mann mehr heiraten würde. Und sie daran schuld wäre.

Die Frauen setzen fort, ­worunter sie einst selbst ­gelitten haben?

Die Frauen sind die größten Unterdrücker der Töchter. Deshalb wäre es so wichtig, bei der Integration auf die Frauen zu setzen, ihnen die Errungenschaften der westlichen Welt aufzuzeigen, denn in der muslimischen Welt sind sie für die Aufrechterhaltung der Familienehre zuständig, nicht die Männer. Die Söhne können Drogen verkaufen, gewalttätig sein, das ist alles kein Problem für die Mütter, denn dadurch nimmt die Familienehre keinen Schaden. Aber die Jungfräulichkeit der Tochter, die muss um jeden Preis erhalten werden. Wenn das nicht der Fall ist, hat die Mutter versagt, bringt Schande über die Familie. Deshalb bestellte meine Mutter irgendwann ihre Brüder ein. Ich floh am selben Abend ins Frauenhaus, weil ich befürchten musste, nach Mazedonien gebracht und verheiratet zu werden.

Die muslimischen Mütter kommen bei Ihnen ohnehin schlecht weg: Sie schreiben von einem fatalen ­"Söhnchenkult".

Weil die Jungs zu Prinzen erzogen werden. Sie werden verhätschelt, verwöhnt, bedient und damit letztlich zu Versagern erzogen. Sie scheitern, weil der Westen eine Leistungsgesellschaft ist, ihnen aber zu Hause etwas ganz anderes beigebracht wird. Sie kennen es nicht, dass etwas von ihnen verlangt wird, dass sie sich anstrengen müssen. Und so scheitern sie. Schuld sind dann alle anderen: die Lehrerin, diese ungläubige Schlampe, die dem Sohn nichts zu sagen hat, oder überhaupt die Westler, die alle Rassisten sind und den Muslimen keine Chance geben.

Sie schreiben, dass Sie gewisse Quartiere in Berlin meiden, ­Neukölln etwa: Sie würden dort als Freiwild betrachtet. Ist das nicht übertrieben?

Nein. In Neukölln, Wedding und Kreuzberg gibt es Straßen, wo man als Frau nicht hingehen kann, erst recht nicht im Sommer. Es ist ein Spießrutenlauf, man wird bedrängt. Kürzlich parkte ich mein Auto in Neukölln, und ein junger Muslim schrie mich an: "Hey Schlampe, hau ab, ich will diesen Parkplatz haben." Sicher fühlte ich mich dort nur ein einziges Mal: als ich letztes Jahr für eine Reportage einen Hidschab trug - zum ersten Mal beachteten mich die Männer nicht. Das kann doch nicht sein, dass ich als Frau in einer deutschen Stadt nur dann Respekt erfahre, wenn ich verhüllt bin.

Wehren Sie sich deshalb so vehement gegen das Kopftuch?

Das Kopftuch steht für Geschlechterapartheid. Wo immer der politische Islam Einzug hält, hält die Verhüllung der Frauen Einzug. Das Kopftuch diente ursprünglich dazu, ehrbare Frauen von Sklavinnen unterscheiden zu können, die man benutzen durfte. Benutzen, ja, so heisst das. Auf diesem Gedanken basiert das Kopftuch, und es gilt immer noch: Man unterscheidet damit sittliche von unsittlichen Frauen. Deshalb gelten westliche Frauen als Schlampen, die man anfassen darf.

Das denken Muslime, die in der dritten Generation im Westen leben?

Ach, Sie sollten mal hören, wie viele von ihnen über Westler sprechen. Das ist Pegida auf Türkisch. Oder Albanisch oder Arabisch.

Trotzdem: Gläubige Musliminnen, die Kopftuch tragen, pochen auf ihr Selbstbestimmungsrecht.

Das mit der Selbstbestimmung ist ein Witz. Millionen von Frauen in muslimischen Ländern haben keine Wahl, ob sie das Kopftuch tragen wollen oder nicht. Im Iran rasieren sie sich sogar die Haare ab deswegen. Und hier reden die von Freiheit? Ich wünsche mir ein Kopftuchverbot, vor allem an Schulen, wenigstens dort sollen die muslimischen Mädchen frei sein können. Für Minderjährige sollte es sowieso verboten sein: Wenn man Zwölfjährigen das Kopftuch anzieht, sexualisiert man sie, dabei sind das noch Kinder! Es macht mich wütend, wenn da jemand vor lauter Verständnis die Zusammenhänge nicht sieht.

Sie machen genau dieses Verständnis für den radikalisierten Islam verantwortlich. Eine gewagte These.

Nein. Die Politik hat den konservativen Islam jahrelang hofiert, deren Vertreter werden in jede Talkshow eingeladen. Dabei geht es denen nie um Spiritualität, sondern immer um Politik. Gleichzeitig hört die fortschrittlichen Muslime niemand, weil sie nicht so laut sind. Und sie nicht so viel Geld haben. Deshalb haben auch jene Muslime, die noch bis zur Jahrtausendwende kaum je eine Moschee besuchten - also die überwiegende Mehrheit -, mit einem Mal den Eindruck, dass Muslim sein eine eigene Identität sei. Und dass sie von "den anderen", den Deutschen oder den Schweizern, diskriminiert würden und sie ihre muslimische Identität verteidigen müssten. Die Toleranten unter den Muslimen werden vor lauter westlicher Toleranz den Rechten unter den Muslimen ausgeliefert.

Sie gehen einen Schritt weiter: Sie machen den Islam für den Islamismus verantwortlich.

Keine andere Religion bringt so viele Mörder hervor wie der Islam. Da kann man doch nicht einfach sagen, das habe nichts miteinander zu tun. Natürlich hat es das. Da muss man auch keine Entschuldigungen suchen oder sich herausreden. Muslime sehen sich lieber als Opfer, anstatt selbstkritisch zu sein. Aber genau das gewöhnt ihnen der rückständige Islam ja ab, weil der auf das Jenseits und nicht auf das Diesseits fixiert ist. Es geht nicht um Fortschritt oder darum, Fragen zu stellen. Zum Beispiel diese: Weshalb wird in einer Moschee, einer heiligen Stätte, einem Ort der Spiritualität, Hass gepredigt? Dass Sie darauf nie eine Antwort bekommen, sagt alles.

Dieser Artikel erschien zuerst in der SonntagsZeitung des Tagesanzeigers vom 8. April 2017.

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