Süddeutsche Zeitung

Friedenssong:Xavier Naidoo erklärt dem Krieg den Krieg

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Vor der Abstimmung zum Syrien-Einsatz der Bundeswehr veröffentlicht Xavier Naidoo mit Unterstützung von Jürgen Todenhöfer einen Friedenssong, der perfekt in sein Weltbild passt.

Von Johannes Kuhn

Am Freitag entscheidet der Bundestag über einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Deutschsoul-Sänger Xavier Naidoo meldet sich am Vorabend zu Wort - mit einem Song.

Über den Publizisten Jürgen Todenhöfer verbreitet er das bislang unveröffentlichte Lied "Nie mehr Krieg". Die Botschaft: Nie mehr Krieg, also auch nicht in Syrien.

Der Sänger bleibt seinem Stil treu, komplexe Satzstrukturen zu vermeiden. "Nie wieder Krieg, wenn wir das nicht sagen dürfen, dann läuft doch etwas schief", lautet der Refrain des Lieds. Offen bleibt, seit wann "wir" uns nicht mehr gegen Krieg aussprechen dürfen - und wer "wir" überhaupt ist.

Ebenso im Dunkeln bleiben die Zusammenhänge der Weltpolitik, die Naidoo herstellt. "Wer vom Krieg profitiert, ist irritiert, wenn er seinen Propagandakrieg verliert", reimt er. Wer ist gemeint? Deutschland sei kein souveräner Staat, hat der Sänger einmal erklärt, seine Abneigung gegen die USA verbindet ihn mit dem Ex-CDU-Bundestagsabgeordneten und -Burda-Manager Todenhöfer. Aber davon singt Naidoo nicht. Stattdessen bleiben die Kriegsprofiteure angeraunt und ungenannt, eine Leerstelle, die der Hörer ganz nach gewünschtem Welt- und Feindbild ausfüllen kann.

"Muslime tragen den neuen Judenstern"

Da ist aber schon der Vers vorbei, der dem Song einen leichten Provokationsschub verleiht: "Muslime tragen den neuen Judenstern, alles Terroristen, wir haben sie nicht mehr gern", reimt der Sänger in der ersten Strophe. Feindseligkeit gegenüber Muslimen wird mit dem größtmöglichen Vergleich bedacht, der systematischen Ausgrenzung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas. Die Kunstfreiheit schützt auch solch hanebüchenen Unsinn. Allerdings kommt der Satz aus dem Mund eines Künstlers, der wenig versteckt ("Baron Totschild") jüdische Banker ("Der Schmock ist ein Fuchs") als Akteure hinter der Weltbühne identifiziert.

Geraune über mächtige Profiteure im Hintergrund, Behauptungen über angebliche Tabus (Kriegskritik-Verbot), Provokation durch einen drastischen Vergleich und eine einfache Botschaft (Hey, wer kann schon FÜR Krieg sein?): Das ist klassischer Naidoo-Code, der ein schlichtes Weltbild und einfache Lösungen anbietet, weil er unangenehme Komplexität einfach ausblendet.

Die reduzierte Botschaft

In der Politik nennt man diese Reduktion Populismus, auch in der Kunst ist sie legitim, ja häufig sogar durch die Form geboten - Friedenssongs haben eine lange, wichtige Tradition.

Und in der Tat gibt es viel Diskussionsbedarf über die Reaktion Europas auf die Anschläge von Paris und das, was angesichts der verworrenen Lage in Syrien das Beste wäre (inklusive verfassungsrechtlicher Fragen). Die Frage ist nur, ob Friedensbotschafter Naidoo wirklich an der Komplexität dieser Welt interessiert ist.

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