Bilderbuch:Ende des Winterschlafs

Bilderbuch: Illustration aus May Angeli: Bär und Ente.

Illustration aus May Angeli: Bär und Ente.

Ente und Bär zeigen, Mut kann sehr gesellig sein, wenn man seinen Freund damit unterhält

Von Laura Weißmüller

Wer möchte, kann in "Bär und Ente" nicht nur eine Geschichte über eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen einem sehr großen und einem eher kleinen Tier erkennen, sondern auch ein Gleichnis über die seltsame Zeit, in der die Menschheit gerade steckt. Denn was ist die Pandemie schon anderes als ein gigantisches Winterschlaf-Programm, das alle in ihre Wohnungen kommandiert, sobald es kalt wird, und wo sie einsam ihre Zeit rumbringen müssen bis die ersten Sonnenstrahlen sie wieder nach draußen locken?

Ein bisschen geht es dem altersmüden Bären in dem wunderschön illustrierten Bilderbuch von der französischen Kinderbuchautorin May Angeli zumindest so. Nur, dass es keine Sonnenstrahlen sind, die ihn aus seiner Höhle locken, sondern ein gewaltiger Krach. Den hat die Ente ausgelöst, weil sie statt in den Himmel zu fliegen, mit einem lauten Knall im dichten Brombeergestrüpp gelandet ist. "Zerknautscht und schlecht gelaunt, kroch der Bär aus seiner Höhle. Trotz ihrer Schmerzen rief die Ente mutig: Wenn du näher kommst, fresse ich dich auf!"

Wie der Bär dies dann nicht tut - weil er kaum mehr Zähne hat, aber vor allem, weil er sich über Gesellschaft freut - das erzählt Angeli in wunderbar poetischen Holzschnitten, die in ihrer reduzierten Farbgebung und der klaren Formgebung ein wenig an die großen Meister der japanischen Farbholzschnittkunst erinnern, ohne diese zu imitieren. Fast schon meditativ ist die Betrachtung der Bilder - bis man ein Detail entdeckt, über das man so lächeln kann wie über die Worte der mutigen Ente.

Auffallend ist wie der Vogel, dessen schlanker Kopf stets in kräftigem Rot aus den Szenen hervorsticht, auch im Leben des Bären für den Farbtupfen sorgt. Die Ente planscht mit dem Bären im Fluss und erzählt ihm anschließend beim Sonnenbad von ihren Abenteuern, wie sie den Jägern immer wieder entkommen ist. Mut kann eben auch sehr gesellig sein, besonders wenn man nicht mit ihm angeben will, sondern seinen Freund unterhalten.

Das Buch macht damit Hoffnung: auf einen Frühling nach dem Winterschlaf und eine Zeit, in der das einsame Höhlendaseins vorüber ist und wir uns alle wieder an der Gesellschaft der anderen wärmen können.

May Angeli: Bär und Ente, Magellan Verlag, Bamberg 2021, 32 Seiten, 14 Euro.

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