Jugendbuch:Love you long time

Jugendbuch: Iris Hannema: Schattenbruder. Aus dem Japanischen von Rolf Erdorf. Freies Geistesleben. 332 Seiten, 20,00 Euro.

Iris Hannema: Schattenbruder. Aus dem Japanischen von Rolf Erdorf. Freies Geistesleben. 332 Seiten, 20,00 Euro.

ein Mädchen begibt sich auf die Suche nach dem "Schattenbruder" in Tokio und findet sich selbst.

Von Bernd Zabel

Ein Anruf aus Japan schneidet das Leben der jungen Holländerin Hebe in zwei Hälften. Davor: das Leben mit dem bewunderten älteren Bruder, danach: Japan, das Land, in dem Alec einen tödlichen Tauchunfall erlitten hat. Die Trauer zieht sie dorthin, sie folgt der Spur des Freitauchers nach Tokio und weiter in den Süden nach Okinawa. Der berühmte Film "Im Rausch der Tiefe", ("Le grand bleu" ), über den Wettkampf der Apnoetaucher Enzo und Jack stand hier offensichtlich Pate und man erfährt eine Menge über Free Diving. Alec kann bis zu neun Minuten die Luft anhalten, mit einer Monoflosse schraubt er sich bis in 100 Meter Tiefe.

Das eigentliche Thema bildet aber Hebes Suche nach ihrem Ich. Eine junge Frau, gerade mit der Schule fertig, begibt sich auf ihre erste große Reise. Es geht um Selbständigkeit, um Orientierung, ums Erwachsenwerden. Die schieren Ausmaße der Millionenmetropole Tokio überwältigten sie. Mit Haut und Haaren taucht sie in die fremde Welt ein. Geschildert wird aber kein langwieriger Reifeprozess, sondern ein mutiges Eintauchen in die fremde Welt, mit vielen Begegnungen. Dabei bleiben die Szenen immer authentisch, auch dadurch, dass viele kurze Dialoge auf Englisch wiedergegeben werden.

Iris Hannema ist eine versierte Reisejournalistin, die in "Schattenbruder" ihren ersten Roman vorlegt. Sie schlägt ein rasantes Erzähltempo an, und scheut auch vor bekannten Japan-Bildern nicht zurück. Das beginnt schon beim Cover des Romans, der Hokusais sich überschlagende Meereswoge zitiert. Der weltgrößte Fischmarkt, die übervollen U-Bahnen und die Manga-Mädchen folgen. Dennoch können jugendliche Japan-Fans aus dem Roman eine Menge entnehmen. Alleinreisende junge Frau, teils cool, teils naiv, von gelegentlichen Trauerschüben geplagt. Dazu passt eine Katastrophe, die sie noch am Flughafen ereilt: Ihr Smartphone geht zu Bruch. Reisen, ja Leben im fremden Land ohne Smartphone, geht das überhaupt? Doch, sie schafft es und erreicht endlich Ishigaki Bay, den Platz, an dem Alec für immer in den Fluten verschwand.

Zuvor lernt sie im Resort den Australier Oscar, genannt Butler, kennen, der in Japan zur Geschichte der Aum-Sekte recherchiert, die einen verheerenden Anschlag auf die Tokioter Metro verübt hatte. Und sie ergreift die Initiative und erlebt, dass Lieben nicht immer Leiden bedeuten muss. Denn das Gefühl der Einsamkeit drohte sie zu überwältigen, nachdem auch die Freundschaft mit ihren langjährigen besten Freundin Astrid online in die Brüche gegangen ist. Schließlich kulminiert das Geschehen: Ein Dokument, das sie von Kazuo, dem Freund Alecs und Inhaber des Tauchshops, erhält, bestätigt ihren Verdacht: kein Unfall, Suizid. Vor jedem Wettkampf gab ihr Alec eine Karte mit einem selbstverfassten Haiku. Das letzte lautet: "Wandle, unser Land, er, der ohne mich fortging, hat das, was du suchst. Geh auf die Suche danach. Love you long time. Dein Bro, x, Alec." (ab 14 Jahre)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: