Frauenfiguren im Kino:Jung, sexy, schweigsam

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Kampf gegen eine Diskriminierung, die das Kino zementiert: UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon mit Schauspielerin Emma Watson. (Foto: Timothy A. Clary/AFP)

Schauspielerin Emma Watson hat zum Auftakt der Kampagne "He for She" der Vereinten Nationen eine Rede über Gleichberechtigung gehalten. Das Kino, so zeigt eine neue Studie, könnte ein bisschen Feminismus gut gebrauchen.

Von Susan Vahabzadeh

Als Emma Watson am Wochenende bei den Vereinten Nationen ihre erste große Rede hielt als Sonderbotschafterin für Frauen, klang sie ziemlich nervös. Den Mitschnitt kann man sich im Netz anschauen. Das Publikum war gebannt, aber wohl weniger, weil sie die feministische Revolution ausrief, sondern weil sie eben berühmt ist. Watson hielt eine sehr versöhnliche, vorsichtige Rede. Es gehe hier ja, sagte sie, zunächst einmal um die Einhaltung von Menschenrechten. Sie forderte gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit und ein selbstbestimmtes Leben für Frauen, prangerte an, dass noch in keinem Land der Erde echte Gleichberechtigung gebe, bemängelte, dass der Begriff Feminismus für viele Menschen, auch weibliche, negativ besetzt sei; und mahnte, so werde es auch bleiben, wenn Männer da nicht mitziehen. Es war der Auftakt einer Kampagne der Vereinten Nationen, der ersten ihrer Art, namens "He For She". Watsons Rede war eher harmlos.

Sollte man meinen. Die 24-jährige Watson wurde vor einem halben Jahr als Botschafterin berufen und gilt als Hoffnungsträgerin des Feminismus, weil man natürlich glauben möchte, die ehemalige Hermine müsste jedem den Gleichheitsgedanken verkaufen können, der die Harry-Potter-Filme gesehen hat - also ziemlich vielen. Sie hat dann aber gleich zu spüren bekommen, dass es gar nicht immer sehr bequem ist, für eine Sache einzutreten.

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In sozialen Netzwerken gab es Todesmeldungen, aus denen Emma-Hasser versuchten, einen Trend zu machen, es tauchte eine Seite im Netz auf, auf der ihr gedroht wurde, sie sei die Nächste, deren Nacktfotos online auftauchen würden - war nicht ernst gemeint, hatte sich eine Marketingfirma ausgedacht als Protest gegen geklaute Nacktfotos von Promis. Die Firma verkündet jetzt stolz und ohne jedes Unrechtsbewusstsein 48 Millionen Klicks. Man kann daran aber ganz gut erkennen, wie ernst Watsons Rede genommen wurde: Gar nicht - kann man doch ruhig hernehmen für eine Kampagne, in der es um ganz etwas anderes geht.

Nur 22,5 Prozent der weiblichen Filmfiguren haben einen Job

Wenn Watson wissen will, wie sie da ins Abseits geraten ist, müsste sie nur öfter ins Kino gehen. Egal wo auf der Welt könnte sie dort immer sehen, dass sie etwas getan hat, was nur echte Frauen machen, nicht aber die Geschöpfe für die Leinwand. Denn im Rahmen der Frauen-Woche bei der UN stellte die Schauspielerin Geena Davis am Montag auch eine Studie vor, welche die University of Southern California mit UN-Unterstützung erstellt hat. Für die wurden 120 Filme aus den USA, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Deutschland, Indien, Japan, Russland, Südkorea und Großbritannien aus demselben Zeitraum untersucht. Dabei kamen interessante Diskrepanzen heraus zwischen den erfunden Frauen und den echten.

Fazit: Die Filmindustrie befördert die Diskriminierung. Ergebnis ist unter anderem, dass das Kino offensichtlich überall auf der Welt noch den Traum von der hauptberuflichen Gattin pflegt: Nur 22, 5 Prozent der Film-Frauen haben überhaupt einen Job - in Wirklichkeit sind es knapp vierzig Prozent. Jobs mit Einfluss haben 15 Prozent der fiktiven Frauen - da nähert sich das Kino der Wirklichkeit schon eher an. Man merkt den fiktiven Frauen natürlich erst an, ob sie arbeiten, wenn sie überhaupt sprechen dürfen. In keinem der untersuchten Länder war auch nur annähernd die Hälfte der Sprechrollen weiblich. Weltführer wurde Großbritannien mit 37,9 Prozent weiblichen Sprechrollen. Deutschland liegt nach der Studie bei 35,2 Prozent, Schlusslicht ist Indien, 24 Prozent.

Kaum Nacktheit ab 39

Auch den schwedischen Bechdel-Test für Sexismus bestehen viele Filme nicht. Da geht es um drei Fragen: Ob in einem Film eine oder mehrere Frauen vorkommen, die einen Namen haben, ob sie miteinander reden, und - oft die Totschlagsfrage - ob sie über etwas anderes reden als über Männer.

Dass es Filme gibt, die diesen Test nicht bestehen, weil sie sich an ein weitgehend männliches Publikum wenden, Action- oder Horrorfilme zum Beispiel, ist ja eigentlich nicht weiter schlimm. Wenn es nur nicht so viele wären. Und die Frauenfiguren, insgesamt, nicht so hypersexualisiert: Die Studie hat auch Nacktheit und aufreizende Kleidung bewertet und kommt zu dem Schluss, dass ein Viertel aller Frauen, die auf der Leinwand auftauchen, aufreizende Kleidung trägt.

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Was dann aber altersabhängig ist. Nacktheit und tiefe Ausschnitte sind bei Teenager-Figuren (13 - 20 Jahre) und erwachsenen Charakteren von 21 - 39 Jahren noch gleich verteilt. In der nächsten Altersklasse, 39 Jahre und älter, ist dann Schluss damit. Da es sich bei den meisten Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseuren um Männer handelt, sind diese Leinwandfrauen eine Männerphantasie: Sexy, schweigsam, von keinem Job abgelenkt und am besten unter 39. All das wäre vielleicht anders, wenn eines Tages mehr Filme von Frauen geschrieben und inszeniert wären. Bis dahin ist das Kino für eine "He for She" -Kampagne genau der richtige Ort.

© SZ vom 25.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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