Frauen in der Politik:Tanzende Hunde

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Was können Frauen? Beobachtungen anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Frankreich.

Franziska Augstein

"Wenn eine Frau eine Predigt hält, so ist das, wie wenn ein Hund auf seinen Hinterbeinen läuft: Gut macht sich das nicht, man ist überrascht, es überhaupt zu erleben." So sprach 1763 der große englische Aufklärungsdenker Samuel Johnson, der zwar nie einen Doktorhut erwarb, ob seiner Gelehrsamkeit aber zumeist "Dr. Johnson" genannt wurde.

Frauen werden beim Vornamen genannt: "Ségo" gegen "Sarko". (Foto: Foto: AP)

In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts hielt eine Frau an einer rheinischen Universität eine kurze Ansprache, die das Auditorium zum Lachen bringen sollte, was der Dame auch gelang. Anschließend erhielt sie die Belobigung eines angesehenen Germanisten, die Dr. Johnsons Bemerkung verwandt ist: Er sei bisher der festen Meinung gewesen, sagte der Professor, dass Frauen nicht witzig sein könnten; nun habe er erlebt, dass es wenigstens eine Ausnahme gebe.

Dem ist anzufügen, dass manch ein Zirkushund sehr behände auf seinen Hinterläufen einherschreiten kann und dabei mehr Grandezza an den Tag legt als der beleibte Dr. Johnson, wenn dieser nach einem seiner ausführlichen Kneipenbesuche nach Hause taumelte.

Hinter diesen beiden Kommentaren, dem des englischen Aufklärers und dem des deutschen Germanisten, steht implizit die Annahme, dass Frauen für bestimmte ernsthafte Tätigkeiten nicht gemacht seien. Sie geht zumeist mit einer zweiten Annahme einher: Frauen seien zu emotional, um von sich selbst und ihrem unmittelbaren Umfeld absehen zu können.

Das ist ein Vorurteil, das Politikerinnen bis heute zu schaffen macht. Der amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum zufolge ist es ein Vorurteil, das die Philosophen der Welt sich nicht zu eigen gemacht haben, mit Ausnahme derjenigen des Westens: Nussbaum hält diese Denkweise für eine pathologische Ausformung des Empirismus, der im 18. Jahrhundert auf den britischen Inseln seinen Anfang nahm. So erklärt sich denn auch der kleine Aphorismus des Dr. Johnson, der ein berühmter Anhänger des Empirismus war.

Heutzutage, da die Geschlechtergleichstellung hier und da gesetzlich verankert ist, müssen feministische Politikerinnen immer noch mit Geringschätzung rechnen. Wenn die Arbeiterschaft oder die Industrie ihre eigenen Interessen vertritt, so gilt das als legitim.

Wenn hingegen Frauen für Frauen Politik betreiben, wird das von vielen als Beleg dafür genommen, dass dies Geschlecht über seinen eigenen Tellerrand eben nicht hinaussehen könne. Die CDU-Politikerin Rita Süssmuth ist dem Altkanzler Schröder bis heute dankbar dafür, dass er die herrschenden Verhältnisse mit seinem Bonmot "Frauen und Gedöns" so schön auf den Punkt gebracht hat.

Kalte Kriegerin

Eine führende Politikerin, die ganz ernst genommen werden will, darf alles machen, nur nicht Frauenpolitik. Am besten stellt sie sich, wenn sie einen Krieg anzettelt und damit männliche Härte beweist: Nicht mit ihrer Handtasche hat Margaret Thatcher sich Respekt verschafft, sondern mit dem Krieg um die Falklandinseln.

Seitdem sowohl der Krieg in Afghanistan als auch der Irakkrieg sich als Schlappen erwiesen haben, versucht Condoleezza Rice sich als Kalte Kriegerin. Sie versteht es, ihr Eigeninteresse und das vorgebliche nationale Interesse der Vereinigten Staaten in eins zu setzen. Kaum jemand heizt den neuen, überflüssigen Rüstungskonflikt zwischen den USA und Russland rhetorisch mehr an als sie, die Russlands innere Verhältnisse so gut kennt, dass man mehr Umsicht von ihr erwartet hätte.

Im friedfertigen Europa liegen die Dinge anders: Angela Merkel regiert die Bundesrepublik. Deutsche Journalisten, die sich etwas einfallen lassen, preisen ihre - bisher noch nicht absehbaren - Verdienste über den grünen Klee. Etliche gebildete Franzosen glauben, dass ihr Vorname sich so ausspreche wie der von Angela Davis. In Frankreich möchte Ségolène Royal zur Präsidentin gewählt werden. Wenn es dazu nicht kommt, so hat das mit ihrem Geschlecht nichts zu tun. Es ergibt sich vielmehr daraus, dass die Franzosen mehrheitlich konservativ denken.

Wäre Royal die Kandidatin der Rechten, würde sie die Wahlen vermutlich auch gewinnen, vielleicht mit weniger Stimmen als Nicolas Sarkozy sie erhalten wird. Seine Wählerbasis ist so solide, dass er sich allerlei zynische Bemerkungen über ausgegrenzte, chancenlose Menschen, von denen einige deshalb Randale machen, hat leisten können und damit Teile der Wählerschaft des halbfaschistischen Le Pen auf seine Seite holte.

Mittlerweile übt Sarkozy Druck auf die Journalisten aller Medien aus, von denen viele für Zeitungen oder Radiostationen arbeiten, deren Besitzer politisch auf seiner Seite stehen. Aber das sieht seine Wählerschaft ihm nach.

Physikalisches Kaffeekränzchen

Bei Ségolène Royal ist das anders. Wenn sie, zum Beispiel, auf Besuch in China das dortige Rechtssystem lobt, dann wird ihr das - nicht ganz zu Unrecht - als Zeichen von Kenntnislosigkeit angekreidet. Nur Philip, Prinzgemahl der Queen, hat sich auf Reisen vergleichbar absurde Aussprüche geleistet.

Frau Royal wird wohl nicht zur Präsidentin gewählt werden. Aber schon der Gedanke an das Tandem Angela & Ségolène erfreut die Gemüter. Die deutsch-französische Freundschaft: ein um physikalische Kenntnisse bereichertes Kaffeekränzchen. Das wär' doch was! Die bloße Aussicht darauf wirft die Frage auf, wie es denn stehe um die Frauenpower in der Politik.

Jenseits der westlichen Welt ist die Frage des Geschlechts vielerorts nicht von Belang. Wo Clans regieren, nimmt man auch Frauen selbstverständlich in Kauf. Anders hätte Benazir Bhutto in Pakistan nicht 1988 in die Fußstapfen ihres Vaters treten können.

Anders wäre die Italienerin Sonia Gandhi nach dem Tod ihres Mannes Rajiv nicht zur Vorsitzenden der indischen Kongresspartei erwählt worden. Seit 2001 ist Gloria Macaraeg Arroyo Präsidentin der Philippinen, dies wohl deshalb, weil schon ihr Vater den Posten innehatte.

Diese Gepflogenheiten waren im vormodernen Europa auch gang und gäbe. Und wo, wie im habsburgischen Kaiserreich, das Recht nur einen Thronnachfolger, nicht aber eine Tochter vorsah, wurde das Reglement durch eine "pragmatische Sanktion" einfach geändert.

Hillary wird eine gute Kandidatin bleiben

Als Karl VI. diese Verfügung 1713 erließ, wusste er noch nicht, wie sehr sie seiner Linie nützen würde: So konnte die 1717 geborene Maria Theresia 1740 den Thron besteigen. Martha Nussbaum dürfte Recht haben, wenn sie sagt, dass die Idee, Frauen seien für die Staatsführung nicht geschaffen, erst im 18. Jahrhundert in Europa zu reifen begann.

Die Vereinigten Staaten wurden gegründet, als Dr. Johnson wirkte. Bis heute muss ein guter amerikanischer Präsident in den Augen der meisten Wähler ein potentieller Cowboy sein. Im Bundesstaat New York konnte Hillary Clinton sich beliebt machen. Wenn sie sich bemüht, wird sie eine gute Präsidentschaftskandidatin sein. Weiter werde sie nicht kommen: So sagen es die Kenner der amerikanischen Gesamtseele voraus.

Derzeit personifiziert auch Hillary die Vorstellung, dass Frauen auf der politischen Bühne zunehmend reüssieren. Typischerweise werden Politikerinnen von den Medien gern beim Vornamen genannt, während die Männer ihren Nachnamen behalten. Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich werden also zwischen "Ségo" und "Sarko" ausgetragen. Dies allein besagt eine Menge über die Gleichstellung von Politikerinnen und Politikern in Europa.

© SZ vom 4.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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