Frauen im Film:Wenn Frauen Filme machen, haben Frauen darin häufiger etwas zu sagen

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Wer Filme auf einer inhaltlichen Ebene analysieren will, dem hilft der Bechdel-Test also erst einmal wenig. Trotzdem liegt in ihm eine nicht zu unterschätzende Kraft. Der Test verschiebt den Blick und sorgt dafür, dass wir anders auf einen Film schauen, als wir es normalerweise tun würden. Denn wer den Bechdel-Test bei einem Film durchführt, der achtet automatisch auch darauf, wie Geschlechterrollen darin behandelt werden: Wie alt sind die Frauen? Wie sehen sie aus? Welchen Beruf haben sie? Wie sind sie charakterisiert?

Filme müssen keine Quote erfüllen

Nun muss man nicht andauernd jeden Film mit dem Bechdel-Blick anschauen. Filme sind Kunstwerke, man muss von ihnen nicht erwarten, politisch korrekt zu sein oder bestimmte Quoten zu erfüllen. Aber Kunstwerke bilden eben immer auch unsere gesellschaftliche Realität ab - und sie wirken auf diese zurück. Es könnte sich also lohnen, darüber nachzudenken, warum Anke Engelke im erfolgreichsten deutschen Film mehr stöhnen als sprechen darf.

Im Zuge dieses Nachdenkens könnte einem auffallen, dass an den 15 untersuchten Filmen nur in drei Fällen eine Frau beteiligt war: Bei "Zur Sache, Schätzchen" führte May Spils Regie und schrieb am Drehbuch mit, bei "Honig im Kopf" war Hilly Martinek am Drehbuch beteiligt, bei "Keinohrhasen" Anika Decker. Freilich fällt auch "Zur Sache, Schätzchen" durch den Bechdel-Test - nur weil eine Frau an einem Film mitgearbeitet hat, muss er nicht zwangsläufig bestehen.

Eine Frage der Beteiligung

Nimmt man allerdings einen größeren Datensatz als Untersuchungsgrundlage, ergeben sich recht klare Zusammenhänge. Schaut man sich etwa an, wer bei den 200 erfolgreichsten US-amerikanischen Produktionen der vergangenen 20 Jahre am Drehbuch beteiligt war, erkennt man: Haben nur Männer am Drehbuch gearbeitet, fallen 53 Prozent der Filme durch. Ist zumindest eine Frau beteiligt gewesen, sind es immerhin nur noch 38 Prozent. Haben ausschließlich Frauen das Drehbuch geschrieben, besteht jeder Film den Test. Ähnliche Resultate ergeben sich, wenn man fragt, wer bei einem Film Regie geführt hat.

Wenn Frauen an der Entstehung eines Films beteiligt sind, ist es also sehr viel wahrscheinlicher, dass Frauen auch in dem Film auftauchen und etwas zu sagen haben. Das Argument, wonach solche Filme kommerziell weniger erfolgreich seien, lässt sich übrigens nicht belegen. Die amerikanische Datenanalyse-Website "FiveThirtyEight" hat herausgefunden, dass Filme, die den Bechdel-Test bestehen, zwar kleinere Budgets haben als Filme, die durchfallen - im Verhältnis aber spielen sie mehr Gewinn ein.

Mehr Diversität vor und hinter der Kamera

Nähme man die Fragen, die der Bechdel-Test aufwirft, also ernst und zöge daraus Konsequenzen, dann erhielte man höchstwahrscheinlich andere, abwechslungsreichere Filme als bisher. Aber die Forderung nach mehr Diversität vor und hinter der Kamera sollte nicht auf Frauen beschränkt bleiben. Man kann den Bechdel-Test ohne weiteres auch auf die Frage münzen, inwiefern Migranten oder Homosexuelle in Filmen vorkommen. Und nicht zuletzt lässt sich der Test auch so abwandeln, dass er die Stereotypisierung von männlichen Figuren untersucht. Denn natürlich werden in Filmen auch Klischees über Männer reproduziert. Der Unterschied ist allerdings: Männer verpassen sich ihre Klischees selbst.

"Wie viel Gleichberechtigung brauchen wir noch?" Diese Frage hat unsere Leser in der achten Runde unseres Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Das folgende Dossier soll sie beantworten.

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