Französischer Architekt:Jean Nouvel - genial, unbeirrbar, antikonform

Jean Nouvel

Großunternehmer des Entwerfens: Jean Nouvel

(Foto: AP)

Im Geist wie im Habitus ist Jean Nouvel mehr Künstler als Architekt. Nun hat der 72-Jährige seine jüngste Vision realisiert - den Louvre in Abu Dhabi.

Von Joseph Hanimann

Wenn einer unter den Architekten der Weltklasse sich Starallüren leisten kann, dann ist es wohl Jean Nouvel. Der heute Zweiundsiebzigjährige hat von Minneapolis über Kopenhagen, Luzern und Paris bis Tokio fast überall gebaut: meistens originell, immer interessant, manchmal diskutabel. Er ist ein Großunternehmer des Entwerfens, ohne Serienproduktion zu bieten.

Seine Allüren glitzern nicht im Rampenlicht, sondern haben etwas vom Schwarz des obligaten T-Shirts unter dem schwarzen Sakko. Auf unangenehme Fragen, etwa über die gerne explodierenden Budgets seiner Projekte, reagiert er spröde. Bei den Bauherren des nun eingeweihten Louvre in Abu Dhabi dürfte das kein Problem gewesen sein. Geld spielte dort eine sekundäre Rolle. Für den mit Prestigeaufträgen verwöhnten Nouvel, der zwischen China, Paris und dem Golf praktisch im Flugzeug lebt, ist der Museumsbau in Abu Dhabi eine Krönung.

Von der Künstlerkarriere, die ihm ursprünglich vorschwebte, hat er etwas im Geist wie im Habitus bewahrt. Er meißelt seine Ideen, modelliert seine Visionen, hinterfragt seine Materialien, sucht in der Radikalität der Gestaltung immer noch einen Schritt weiterzugehen - und interessiert sich kaum, wie das von der Statik und vom Kostenplan her zu halten ist. Dafür hat er die Spezialisten.

Eher Renaissance-Werkstatt als modernes Unternehmen

Vom spekulativen Geist des Architekturtheoretikers Paul Virilio und des Architekten Claude Parent, dessen Assistent er in jungen Jahren war, ist ihm bis heute etwas geblieben. Sein gestalterisches Genie, Unbeirrbarkeit bis hin zur Halsstarrigkeit, Antikonformismus, ein Führungsgeschick und der Sinn für Selbstinszenierung haben ihm erlaubt, jenen Spekulationsgeist in ein architektonisches Werk von Weltrang umzusetzen. 2008 bekam er dafür den Pritzkerpreis. Möglich gemacht wird dies durch ein straff geführtes Büro mit 140 Mitarbeitern, die "Ateliers Jean Nouvel", die sich lieber in der Werkstatt-Tradition der Renaissance als jener des modernen Unternehmensmanagements sehen.

Schon beim schiffartigen "Nemausus I" aus Glas und Stahl mit 114 Wohnungen in Nîmes wurde in den frühen Achtzigern klar, dass da ein besonderes Talent am Werk war. Im Pariser Institut du Monde Arabe zeigte sich aber auch bald, dass das Genie teuer werden kann. Dem Projekt wurden die geplanten Wasserbecken gestrichen. Dennoch ist Jean Nouvel nach der Fondation Cartier, dem Musée du Quai Branly und der Philharmonie der meistgefragte Architekt in Paris. Sein Lieblingsprojekt, ein "Unendlicher Turm", konnte er allerdings nie realisieren.

Seine Berliner Galeries Lafayette setzten ein frühes architektonisches Qualitätszeichen in die Mitte der neuen deutschen Hauptstadt. Doch gehört zu den Ateliers Jean Nouvels auch, dass sie neben den Prestigeprojekten stets auch für kleine Quartieraufträge zu haben sind. Mag da auch der Meister selbst nur entfernt Hand anlegen.

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