Französische Literatur:Plombierte Krawatte

Im Jahr 1847 reiste Honoré de Balzac nach Russland, in die heutige Ukraine, der Liebe wegen. Jetzt gibt es seinen "Lettre sur Kiew" erstmals auf Deutsch.

Von Tobias Lehmkuhl

Juden, Schwarze oder Berliner, man weiß gar nicht, wer in Honoré de Balzacs Achtung am niedrigsten rangiert. Die Juden, schreibt er in seinem "Lettre sur Kiew", der jetzt als "Bericht einer Reise nach Russland 1847" erstmals auf Deutsch erschienen ist, seien wahlweise Nagewürmer oder Fliegen. In letzterer Gestalt pflegen sie derart um einen herumzuwuseln, dass man sie nur mit Stockschlägen vertreiben kann. Insbesondere in Polen würden sie sich wie Moos auf dem Felde verbreiten. So gilt es, diesen Landstrich schnellstmöglich zu durchqueren, was Balzac für damalige Verhältnisse gut gelingt. Nur acht Tage braucht er von Paris bis nach Wierzchownia in der heutigen Ukraine. Hier lebt, in einem "Louvre des Ostens", die von dem Autor angebetete Ewelina Hańska, geborene Rzewuska. Einst von Puschkin umschwärmt, hatte sie Balzac 1832 einen Verehrerinnen-Brief geschrieben, der in dem stets in Geldnöten steckenden Schriftsteller wildeste Fantasien weckte: Mit einer vermögenden russischen Adeligen verheiratet sein, das klang nicht nur nach einem großen Roman, das Klang nach der Lösung aller Probleme.

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