Süddeutsche Zeitung

Franz Hohler wird 80:Das Wildschwein grunzt den Bass

Franz Hohler ist Schriftsteller, Liedermacher, Satiriker, Umweltaktivist und Schweizer Kulturgut. Jetzt wird er 80 und hat ein rührendes Bilderbuch geschrieben.

Von Kathleen Hildebrand

Einen riesigen Stein juckt das Moos, das sich auf ihm breitgemacht hat, bis er auf einen Schulhof rollt und die Kinder wohltuend auf ihm herumklettern. Eine Tiefkühltruhe ist so verliebt in ihren rundlichen, glatzköpfigen Besitzer, dass sie im Turbogang kühlt, bis das Haus von innen vergletschert ist. Ein Bär rettet ein Mädchen vor einem bösen Zwerg, und als es ihn deshalb nach Märchentradition für einen verzauberten Prinzen hält, sagt er: "Iwo, ich bin ein Bär", und statt königlich leben sie fortan gemütlich zusammen, jeden Abend gibt es Honigbrote.

Die Kindergeschichten von Franz Hohler haben eine sehr besondere Qualität. Ihr Humor schrammt oft knapp am Surrealen vorbei, ist ein bisschen kindlich, auf jeden Fall absurd. Niemals geht es so weiter, wie man es als routinierter Leser erwarten würde. Wer sie liest, auch als Erwachsener, unterzieht sich einer - vielleicht sehr schweizerischen - Frischluftkur, wie sie kein Sanatorium schöner bieten könnte.

Hohler, der am 1. März 80 Jahre alt wird, ist Vielschreiber, ein nach wie vor vor Ideen berstender Autor und: Schweizer Kulturgut. Als Kabarettist singt und spricht er in Mundart, aber seine Romane, Gedichte, Erzählungen sind im gesamten deutschsprachigen Raum beliebt und auch darüber hinaus. Franz Hohler ist freier Fabulierer, aber auch politischer Kopf und Umweltaktivist. Eines seiner bekanntesten Lieder, "Der Weltuntergang", schrieb er vor 50 Jahren, als der Club of Rome 1973 seinen ersten Bericht veröffentlicht hatte. Wenn man es heute hört, ist man verblüfft von seiner Aktualität: Hohler klopft dazu wie eine tickende Uhr und singspricht über den schleichenden Verlust von Biodiversität und wie der nach und nach alles zugrunde richtet: Erst stirbt ein stinkender Käfer aus, am Ende die Menschen.

Kathrin Schärers anrührender Zeichenstil scheint auf Franz Hohler abgefärbt zu haben

Einige der berühmtesten Illustratoren haben Bilder zu seinen Texten für Kinder gezeichnet und gemalt: Nikolaus Heidelbach hat ein Geschichtenbuch illustriert, was im Hang zum Absurden, den beide teilen, wunderbar passt. Rotraut Susanne Berner hat die Bilder zu seiner Geschichte "Wenn ich mir was wünschen dürfte" gemalt. Und zuletzt hat Franz Hohler immer wieder mit Kathrin Schärer ("Da sein") zusammengearbeitet, ebenfalls Schweizerin.

Gerade erscheint bei Hanser ein neues Bilderbuch der beiden: "Das kleine Wildschwein und die Krähen", und man hat das Gefühl, dass Schärers liebevoller, anrührender Zeichenstil diesmal ein wenig abgefärbt hat auf Franz Hohler. Absurd ist hier höchstens das Heilmittel, das der Wildschweindoktor dem Frischling verschreibt, als der sehr krank wird: Kastanien, aber aus Paris müssen sie sein. Für die Wildschweineltern ist das viel zu weit. Aber was für ein Glück, dass ihr Kind sich - ganz und gar nicht nach Wildschweinart - mit den Vögeln angefreundet hat. Es grunzte den Bass zu ihren Liedern, anstatt zu lernen, wie man nach Futter sucht. Und für Krähen ist es zwar schwer, aber durchaus möglich, bis nach Paris zu fliegen. Eine Geschichte über Freundschaft, über das Anderssein und darüber, wie, wenn eins ins andere greift, am Ende alles gut werden kann. Mit "Das kleine Wildschwein und die Krähen" hat Franz Hohler sich und seinen großen und kleinen Lesern ein wunderbares Geburtstagsgeschenk gemacht.

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