Französische Buchläden:Online bestellen, nebenan abholen

Corona in Frankreich: Passanten vor einem Buchladen während der Corona-Pandemie

Täglicher Grundbedarf oder verzichtbar? Passanten vor einer geschlossenen Buchhandlung in Paris.

(Foto: ALAIN JOCARD/AFP)

In Frankreich ist der Umsatz der Buchhändler im Jahr 2020 nur um zwei Prozent zurückgegangen. Als entscheidend erwies sich die Improvisationsfähigkeit vor allem der kleinen Läden.

Von Joseph Hanimann

Es ist, als wäre der gesamte französische Buchhandel in dem gespenstischen Flugzeug in Hervé Le Telliers Roman "L'anomalie" unterwegs. Der Roman wurde gerade mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und hat sich seit November rund 700 000 Mal verkauft. Das ist selbst für einen Goncourt-Preisträger ungewöhnlich viel, zumal für diesen: In dem Roman geht es um ein Flugzeug, das ein Mal startet, aber zwei Mal landet.

Die erste Landung erlebte der französische Buchhandel nach dem Lockdown im Frühjahr, und sie war katastrophal: minus 278 Millionen Euro Umsatz laut Verlegerverband gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr. Die zweite Landung bei Jahresabschluss im Dezember ging dann um praktisch ebenso viel nach oben. Es war eine Reise durch Luftlöcher. Insgesamt ist der Jahresumsatz für das Jahr 2020, tendenziell ähnlich wie in Deutschland, nur um zwei bis drei Prozent zurückgegangen. Und die Erleichterung darüber grenzt fast schon an Euphorie.

Der Buchsektor erweist sich als Glückspilz in der von der Pandemie havarierten Kulturbranche. Er profitierte offensichtlich davon, dass diese, außer am Bildschirm, so gut wie stillgelegt ist. Französische Buchhändler erzählen von neuen Lesern, die in ihrem Laden auftauchten, viele jüngere, aber auch Leute, die zuvor kaum mehr lasen und nun einfach genug haben vom Computerbildschirm im Home-Office.

Noch nie wurde so leidenschaftlich über Buchhandlungen gesprochen

Durch den zweiten Lockdown im Herbst waren die Buchläden zum Debattenthema geworden: Gehörten sie zum täglichen Grundbedarf oder waren sie verzichtbar? "Noch nie hat man in der Öffentlichkeit so leidenschaftlich von den Buchhandlungen gesprochen", jubelt Guillaume Husson vom Buchhändlerverband. Für das Geschäft erwies sich ihre Reaktionsfähigkeit als entscheidend. Als sie im November aufs Neue schließen mussten, organisierten sich die Buchhändler sofort untereinander in einem Click-and-Collect-System, über das man das gewünschte Buch online in der nächstgelegenen Buchhandlung bestellen und dort zwischen Tür und Angel dann abholen konnte.

Profitiert haben vom Zulauf eher die kleinen Läden als die Großketten. Hilfreich war in ländlichen Gegenden auch, dass der Staat für Postsendungen zwischen Laden und Kunden die Portokosten übernahm. Internet ist also nicht zwangsläufig die Alternative zum realen Ladenbesuch, sondern manchmal auch dessen Diener. Buchhändler sprechen von einem neuen Kundenverhalten: weg von den Großen und Anonymen, hin zum Persönlichen und Nahen, und sei es über die Brücke des Digitalen.

Zugelegt haben im vergangenen Jahr laut einer Erhebung im Auftrag des Verlegerverbands und des Observatoire de la librairie vor allem Comics (plus 14,3 Prozent), praktische Ratgeber (plus 6,5 Prozent) und Belletristik (plus 4,6 Prozent). Allerdings dient die Kombination aus Fernklick und Ladenbesuch laut Guillaume Husson nicht unbedingt der Vielfalt des Angebots. Wo man seltener an Ladentischen vorbeiflaniere, seien vor allem bekannte Autoren und Bestseller gefragt.

Angesichts der ungewissen Situation waren die Buchhandlungen überdies sehr zurückhaltend bei der Bestellung von Neuerscheinungen zum Jahresbeginn. Die Verlage wiederum verschoben fast ein Zehntel ihrer angekündigten Titel. Gemessen an den fast achtzig Prozent zurückgestellter Neuigkeiten im Frühjahr wirkt das allerdings maßvoll optimistisch. Und so ist die Stimmung im französischen Buchhandel. Erleichterung, die beflügelt.

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