Frankfurter Frakturen:Und sie dreht sich doch

Das Unmögliche wird wahr: Die FAZ wagt ein neues Äußeres. Jetzt mit Bild.

Hans-Jürgen Jakobs

Zu den unverbrüchlichen Dingen, an die der Deutsche bislang glauben konnte wie ans "Hosanna" im Psalmgesang, gehörte eine besondere Typographie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für die Überschrift ihrer Kommentare (im Fachjargon: "Eckenbrüller") pflegen die Pressehüter aus der Hellerhofstraße seit Jahr und Tag die altertümliche Fraktur-Schrift einzusetzen.

Frankfurter Frakturen: 2001 präsentierten die Herausgeber ihren neuesten Scoop, die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Jetzt wird auch das Mutterblatt optisch aufgepeppt.

2001 präsentierten die Herausgeber ihren neuesten Scoop, die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Jetzt wird auch das Mutterblatt optisch aufgepeppt.

(Foto: Foto: ddp)

Das gehörte genauso zu ihren ehernen Gesetzen wie der Verzicht auf Fotos auf Seite eins. Nur bei weltbewegenden Ereignissen entschieden sich die Wertkonservativen für Bilder (stets in Schwarz-Weiß), was seit Gründung der FAZ im Jahr 1949 genau 33 Mal der Fall war.

Optische Zuflucht

Nun aber dreht sie sich tatsächlich, die Welt in der "Zeitung für Deutschland". Vom 5. Oktober an bringt die Frankfurter Allgemeine täglich - ja täglich! - ein Bild auf der Frontseite. Es soll nicht immer farbig sein, aber künftig immer dort optische Zuflucht geben, wo in 58 Jahren eine Bleiwüste zu finden war. Die umworbenen jungen Leser wollen Bilder, haben die fünf Herausgeber erkannt. Und des Kunden Willen geschehe nun mal auf Dauer in der Marktwirtschaft.

Ihre erfolgreiche Sonntagszeitung hat den Strategen vorgemacht, dass flottes Aussehen und Substanz kein Widerspruch sein muss. So rang sich auch die Tageszeitung zur neuen Dynamik durch - und die Fraktur-Schrift hatte keine Chance mehr, auch wenn der Furor der Meinungsartikel mit ihr passend begleitet zu sein schien. Fraktur, die gebrochene Schrift, geht auf das 13. Jahrhundert zurück, als in der Baukunst die romanischen Rundbögen durch die gotischen Spitzgiebel ersetzt wurden. Drei Jahrhunderte später hatte sie sich in heimischen Landen als "deutsche Schrift" durchgesetzt.

Die Nazis freilich konnten mit ihr nichts anfangen, sie sahen darin "Judenlettern". In Ländern wie Frankreich, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg besetzt hielten, war die Antiqua-Schrift populärer. Heutige Neonazis freilich halten's lieber mit Fraktur.

Das Image dieser Schrift ist also schlecht, da konnte sich die Autorin Judith Schalansky noch so sehr für "Fraktur mon amour" einsetzen und auf 648 Buch-Seiten vom ornamentalen Charakter gebrochener Schriften schreiben und viele Beispiele zeigen, vom Plattencover eines Snoop Dogg bis zur Turnschuhwerbung.

Die Macher der Frankfurter Allgemeinen sprechen lieber von einem Layout, das "frischer und einladender" sei, so der zuständige Mitherausgeber Werner D'Inka: "Ob man von einer Revolution sprechen kann, wird sich zeigen."

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